Trennung auf Probe

Martin R. Textor

 

Die Methode der strukturierten Trennung wurde von Green, Lee und Lustig (1973) entwickelt und von Granvold (1983; Granvold/ Tarrant 1983) weiterentwickelt. Wenn Sie sich unschlüssig sind, ob Sie sich trennen möchten oder weiterhin zusammenleben wollen, kann Ihnen diese Methode helfen - Sie trennen sich probehalber für einen bestimmten Zeitraum. Während dieser Zeit sollten Sie möglichst (gemeinsam) zu einer Eheberatung gehen.

Vor der Trennung auf Probe sollten Sie miteinander einen (schriftlichen) Vertrag abschließen, in dem die Dauer der strukturierten Trennung festgelegt wird - wobei als Minimum zumeist sechs Wochen empfohlen werden. Dann wird bestimmt, wer für diesen Zeitraum aus der gemeinsamen Wohnung auszieht, wo er/sie Unterkunft findet und wie die entstehenden Kosten abgedeckt werden. Unter Umständen kann es auch zu einer strukturierten Trennung in der Ehewohnung kommen, wenn Sie beispielsweise keine preiswerte Notunterkunft finden. Diese Alternative ist aber weniger empfehlenswert.

Ferner sollten Sie Regeln für den Zeitraum der Trennung bestimmen. So kann z.B. festgelegt werden, dass Sie miteinander keinen Kontakt haben werden - mit Ausnahme während der Eheberatung - oder dass Sie einander ein- bis zweimal pro Woche treffen werden. Im letztgenannten Fall muss auch geregelt werden, ob und unter welchen Bedingungen Geschlechtsverkehr zulässig ist. Außerdem sind Vereinbarungen für Kontakte mit den Kindern (und Familienaktivitäten) zu treffen. Zudem ist festzulegen, ob Sie während dieses Zeitraums mit Dritten flirten und sexuelle Beziehungen eingehen dürfen, inwieweit darüber gesprochen werden soll und dass ein Nachspionieren verboten ist. Schließlich wird vereinbart, dass während der strukturierten Trennung keine endgültige Entscheidung über eine mögliche Scheidung gefällt werden darf.

Während der strukturierten Trennung können Sie einen letzten Versuch zur Rettung Ihrer Ehe unternehmen, da nun Eheberatungsgespräche nicht durch vorausgegangene Konflikte und Spannungen belastet sind. Sie haben mehr Energie für die Treffen übrig und können in ihnen die Erfahrung positiver Interaktionen machen, ohne während der Woche negative zu erleben.

Während der strukturierten Trennung erkennen Sie die nun fehlenden Vorteile der Ehe, gewinnen einen Eindruck vom Leben ohne den Partner und können Ihre Situation von einer größeren Distanz aus und damit objektiver beurteilen. Treffen Sie einander (neben der Eheberatung) ein- oder zweimal pro Woche (an einem neutralen Ort), können Sie für sich selbst herausfinden, was Sie füreinander empfinden. Stellen Sie fest, dass Sie einander noch lieben, können Sie nach Ablauf der vereinbarten Trennungszeit wieder zusammenziehen. Es empfiehlt sich aber, dann die Eheberatung fortzusetzen.

Entscheiden Sie sich nach der strukturierten Trennung für eine endgültige, ist es aufgrund der bereits gewonnenen räumlichen und emotionalen Distanz zumeist leichter, Regelungen für die Scheidungsphase zu treffen. Oft können viele Vereinbarungen hinsichtlich der strukturierten Trennung fortgeschrieben werden. Die schon erreichte Distanz macht es auch leichter, die Interessen eventuell vorhandener Kinder voll zu berücksichtigen. Bei größeren Konflikten oder persönlichen Problemen sollten Sie aber prüfen, ob Sie nicht das Angebot einer Scheidungsberatung nutzen wollen.

Literatur

Granvold, D.K. (1983): Structured separation for marital treatment and decision making. Journal of Marital and Family Therapy 9, S. 403-412.

Granvold, D.K./Tarrant, R. (1983): Structured marital separation as a marital treatment method. Journal of Marital and Family Therapy 9, S. 189-198.

Green, B.L./Lee, R.R./Lustig, N. (1973): Transient structured distance as a maneuver in marital therapy. Family Coordinator 22, S. 15-22.