Probleme mit der Erzieherin

Martin R. Textor

 

Schon seit einiger Zeit besucht Ihr Kind den Kindergarten. Bisher waren Sie recht zufrieden - aber langsam kommen Zweifel auf: Ist die Erzieherin nicht zu autoritär oder zu sehr laissez-faire? Wird während des Tages nicht zu viel gespielt - wo bleibt da die Bildung? Weshalb kommt mein Kind immer so gestresst und ausgepowert aus dem Kindergarten nach Hause? Mein Kind spricht doch so schlecht - wieso wird es nicht mehr gefördert? Kann die Erzieherin nichts dagegen tun, dass die Kinder so "schmutzige" Wörter im Kindergarten lernen? Weshalb hat sie kaum Zeit, um sich mit mir über mein Kind zu unterhalten? Wieso hat sie beim letzten Elterngespräch gesagt, ich müsse mein Kind anders erziehen, mehr Regeln setzen usw.?

Und wenn dann noch ein besonderer Vorfall eintritt - wenn Ihr Kind von der Erzieherin ungerecht behandelt wurde, wenn es von anderen Kindern gemobbt oder gar geschlagen wurde -, dann sind Sie richtig sauer. Aber was tun?

Zunächst ist es wichtig, sich zu vergewissern, ob nur Sie unzufrieden sind bzw. ob nur Ihr Kind negative Erfahrungen in der Gruppe gemacht hat. Ist dies der Fall, könnte es dann nicht sein, dass Ihnen die Erzieherin nur unsympathisch ist oder dass Sie einfach keinen Bezug zu ihr finden? Oder dass Sie ein oder zwei isolierte Vorfälle mit Ihrem Kind zu sehr hochspielen?

Zum einen kann nämlich nahezu jeder Kindergarten auf eine hohe Zufriedenheit der Elternschaft mit seiner pädagogischen Arbeit verweisen. Oft haben die Erzieher/innen Elternbefragungen durchgeführt, anhand derer sie dieses auch belegen können. Zum anderen macht jedes Kind negative Erfahrungen im Kindergarten - und muss diese auch machen, denn nur so lernt es beispielsweise, mit Frustrationen umzugehen, sich durchzusetzen oder mit der Ablehnung durch andere fertig zu werden. Natürlich ist es schlimm, wenn seine besten Freunde auf einmal nicht mehr mit ihm spielen wollen und sich über ihn lustig machen - aber muss da wirklich gleich die Erzieherin eingreifen?

Erst wenn Sie sich sicher sind, dass Ihre Unzufriedenheit wirklich begründet ist und nicht bloß auf Antipathie oder Ähnlichem beruht, sollten Sie die Erzieherin um einen Gesprächstermin bitten. Suchen Sie aber nicht den Konflikt, die Konfrontation! Sie kommen mit Ihrem Anliegen viel weiter, wenn Sie zunächst etwas Positives über den Kindergarten oder die Arbeit der Erzieherin sagen. Dann sollten Sie Ihr Problem offen ansprechen - als Ihr Problem. Das heißt, Sie sprechen zu der Erzieherin in der Ich-Form (z.B. "Mich bedrückt, dass mein Kind in der Gruppe so isoliert ist"), da sich diese dann weniger angegriffen fühlt (als wenn Sie sagen würden: "Warum kümmern Sie sich nicht um mein Kind? Haben Sie etwa noch nicht gemerkt, dass es von allen anderen Kindern geschnitten wird?"). Sie werden sehen, die Erzieherin wird viel offener für Ihr Anliegen sein!

Wichtig ist auch, dass Sie versuchen, die Argumente der Erzieherin zu verstehen. Manchmal wird deutlich, dass sie weniger intensiv mit den Kindern gearbeitet hat, weil die Zweitkraft längere Zeit wegen Erkrankung gefehlt hat. Oder Sie erkennen, dass Sie zu hohe Erwartungen gehabt haben - bei 25 Kindern in der Gruppe kann die Erzieherin nicht jeden Tag intensiv mit Ihrem Kind arbeiten. Vielleicht gibt es auch einige besonders aggressive Kinder in der Gruppe, die nicht nur Ihr Kind geschlagen haben, und Sie erfahren, was die Fachkraft schon alles unternommen hat.

Natürlich kann es sein, dass Ihre Vorbehalte in diesem Gespräch nicht ausgeräumt wurden. Vielleicht kam es sogar zu einer Eskalation, und Sie haben sich von der Erzieherin im Streit getrennt. Dann kann es sinnvoll sein, ein oder zwei Wochen später einen zweiten Versuch zu wagen. Falls Sie aber der Meinung sind, dass die Erzieherin wirklich schlecht arbeitet und oft Fehler im Umgang mit Ihrem Kind macht, oder wenn Sie im Gespräch mit anderen Eltern den Eindruck gewonnen haben, dass auch diese unzufrieden sind, dann können Sie einen Schritt weiter gehen und das Gespräch mit der Kindergartenleiterin suchen (falls diese die Person ist, mit der Sie Probleme haben, können Sie den Träger ansprechen). Wenn mit ihr keine Lösung - notfalls ein Gruppenwechsel - erarbeitet werden kann, bleibt Ihnen als letzter Ausweg, Ihr Kind in einem anderen Kindergarten anzumelden.

In der Regel werden Sie aber in einem offenen, partnerschaftlichen Gespräch mit der Gruppenleiterin einen Kompromiss finden, bei dem Ihre Vorbehalte, Wünsche und Erwartungen, die Möglichkeiten der Erzieherin und die Rahmenbedingungen des Kindergartens Berücksichtigung finden...