Formen von Kindertageseinrichtungen

Martin R. Textor

 

Die traditionelle Form der institutionellen Betreuung von unter Dreijährigen in Deutschland ist die Kinderkrippe. In der DDR bildete sie das Regelangebot: Die 353.203 Krippenplätze (1989) reichten theoretisch für 55.6% der Null- bis Zweijährigen und praktisch für 82% der Ein- und Zweijährigen, da die meisten Mütter das „Babyjahr“ in Anspruch nahmen. In der (alten) Bundesrepublik waren Kinderkrippen hingegen nur für „Notfälle“ gedacht. Dementsprechend gab es bei der Wiedervereinigung nur für weniger als 2% der unter dreijährigen Kinder einen Krippenplatz (ca. 28.000 Plätze) (Laewen/ Andres 1993, S. 5).

Seitdem hat Kinderkrippe enorm an Bedeutung verloren. Inzwischen gibt es ganz verschiedene Formen der institutionellen Betreuung von unter Dreijährigen, die in diesem Kapitel vorgestellt werden sollen. In den einzelnen Bundesländern werden sie oft unterschiedlich bezeichnet; deshalb beginnen die folgenden Abschnitte immer mit einer Begriffsdefinition.

Jahrgangsgruppen

Hier werden Babys, Einjährige und Zweijährige getrennt voneinander in separaten Gruppen betreut. Eine solche Aufteilung der Kinder war in der DDR die Regel. Sie wird heute noch häufig in den neuen und gelegentlich in den alten Bundesländern praktiziert. Weltweit gesehen, werden die meisten unter Dreijährigen in altershomogenen Gruppen betreut (z.B. in Frankreich, Italien, Griechenland, Irland, in Osteuropa und in Ostasien, vgl. Liegle 2007). Nahezu alle Forschungsergebnisse aus dem angloamerikanischen Raum, die in deutschsprachigen Veröffentlichungen erwähnt werden, beziehen sich auf Jahrgangsgruppen. Auch die immer wieder zitierten Qualitätskriterien des Netzwerks Kinderbetreuung der Europäischen Kommission betreffen in erster Linie altershomogene Gruppen. Deshalb ist es eigentlich nicht zulässig, die Forschungsergebnisse und Qualitätskriterien auf deutsche Verhältnisse zu übertragen, da hier die meisten Kleinkinder in altersgemischten Gruppen aufwachsen.

Babys werden in der Regel in kleineren Gruppen betreut als Einjährige und diese wiederum in kleineren Gruppen als Zweijährige. Entsprechend ändert sich der Fachkraft-Kind-Schlüssel. Auf diese Weise wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Babys und Einjährige einen höheren Bedarf an Pflege und Betreuung haben, aber auch an Ruhe und Überschaubarkeit der Situation. So reagieren sie oft gestresst, wenn viele Menschen (Kinder) um sie herum sind, wenn der Raum aufgrund seiner Größe beängstigend wirkt oder wenn er aufgrund zu vieler Gegenstände und Spielsachen überstimulierend wirkt. Babys benötigen somit einen kleinen, begrenzten Raum, Einjährige brauchen etwas mehr Platz, und Zweijährige wollen schon viele Herausforderungen für grobmotorische Aktivitäten und Sinneserfahrungen sowie eine gewisse Auswahl an Spielzeug und Materialien haben (Gonzales-Mena/ Widmeyer-Eyer 2008, S. 424 ff.).

Zudem mag ein Raum für Null- bis Einjährige aus Erwachsenen-Sichthöhe relativ kahl wirken, denn „Grundprinzip des Raumes für die jüngsten Krippenkinder ist: Der Raum wird liegend, krabbelnd und robbend erkundet und erlebt, also muss er aus dieser Perspektive anregungsreich sein. Er muss Anreize bieten, sich an interessante Punkte hinauf- oder hinzubewegen. Er muss veränderbar sein, um immer neue Perspektiven zu bieten. Er muss alle Sinne anregen“ (Bostelmann 2008, S. 27) – auch durch unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten (Linoleum, Teppich, Holz, Teppichboden, Fell usw.). Zur Ausstattung gehören z.B. Körbe, die schon von Krabbelkindern umgekippt werden können, Manipulierscheiben in Stehhöhe, große Soft-Bausteine, Schaumstoffrollen, Spiegel mit Lauflern-Stange u.a. Der Raum für ältere Krippenkinder kann bereits Funktionsecken (Verkleide-, Puppen-, Mal-, Manipulier-, Kuschel- und Bauecke) und mehr „klassisches“ Spielzeug enthalten (Puppen, Bausteine, Fahrzeuge usw.). Es sollte nur so viel Spielzeug vorhanden sein, wie nach Beobachtung ausreicht; dafür sollte das Material aber so viel Verwendungsmöglichkeiten wie denkbar haben (Bostelmann 2008).

Vor allem aber gewährleisten kleine Gruppen mit einem hohen Fachkraft-Kind-Schlüssel das, was für Babys und Einjährige außerordentlich wichtig und auch für Zweijährige noch bedeutsam ist: die konstante Anwesenheit einer Bindungsperson. Nur wenn die Bezugserzieherin kontinuierlich in der Nähe des Kindes ist, sich liebevoll und empathisch um es kümmert, seine (nonverbal) geäußerten Bedürfnisse erkennt und befriedigt, es bei der Erkundung seiner Umwelt begleitet (aber nicht stört), kann das Kind sichere Bindungen ausbilden, sich im emotionalen Bereich positiv entwickeln (z.B. lernen, mit Angst und Ärger umzugehen, sich selbst zu beruhigen, Frustrationen zu tolerieren) und zunehmend das eigene Verhalten selbst steuern. „Kleine Kinder lernen ganzheitlich und am besten im Rahmen von vertrauensvollen Beziehungen, in denen einfühlsam und unmittelbar auf das Kind eingegangen wird“ (Gonzales-Mena/ Widmeyer-Eyer 2008, S. 290).

In der frühesten Kindheit gibt es zwischen Gleichaltrigen viel größere Entwicklungsunterschiede als in späteren Lebensjahren. Oft ist ein Kind den anderen Kindern in einem Entwicklungsbereich voraus, wobei sich diese Situation innerhalb kürzester Zeit umkehren kann. So können unter Dreijährige auch in altershomogenen Gruppen von kompetenteren Kindern lernen. Dabei profitieren sie am meisten von Einflüssen, die in die „Zone der nächsten Entwicklung“ (Wygotski) einwirken (Textor 2000). Mit diesem Begriff werden die sich im Reifungsstadium befindlichen Fähigkeiten bezeichnet. Wenn eine kompetentere Person hier als Verhaltensmodell wirkt oder einen positiven Einfluss ausübt, treten sie vorzeitig zu Tage bzw. werden schneller ausgebildet. So wird ein Baby, das erst vor kurzem gelernt hat, sich umzudrehen, eher von dem Vorbild eines Krabbelkindes als eines bereits laufenden Kindes profitieren. Da annähernd gleichaltrige Kinder trotz aller Unterschiede ähnliche „Zonen der nächsten Entwicklung“ aufweisen, können sie auch leichter durch von den Fachkräften angeleitete Aktivitäten gefördert werden. Dann können sie die sich im Reifungsprozess befindlichen Fähigkeiten ausbilden und ihre bisherigen Grenzen überschreiten.

Symmetrische (altersgleiche) Beziehungen dürften auch das ko-konstruktive Lernen stärker fördern als asymmetrische: Da die Kinder in etwa den gleichen Einfluss haben, müssen sie in einem Wechselprozess von gleichwertiger Initiative und Reaktion „aushandeln“, was sie gemeinsam machen und wie sie Aktivitäten gestalten wollen, wobei sie oft Kompromisse eingehen müssen. Die Kinder lernen, die eigenen Wünsche und Interessen (nonverbal) einzubringen und die Bestrebungen der anderen zu verstehen. Aufgrund ihrer Gleichrangigkeit sind ihre Ideen und Vorstellungen gleich viel wert und aufgrund des ähnlichen Entwicklungsstandes für den Spielpartner auch gut verständlich. Ihre soziale Kompetenz wird gefördert „insbesondere durch symbolische Spiele unter Gleichrangigen, die Spiele würden dadurch zu komplexeren Formen weiterentwickelt und das Zusammenspiel führe außerdem zu neuen kognitiven Erkenntnissen. Gerade weil Erwachsene oder Ältere den Fortgang des Spiels nicht bestimmen oder absichern, Kinder aber gemeinsam weiterspielen wollen, seien sie motiviert und strengen sich an, Spielideen weiterzuverfolgen und etwas Neues zu produzieren“ (Wüstenberg/ Schneider 2008, S. 149; vgl. Bensel/ Haug-Schnabel 2008, S. 118).

Problematisiert wird, dass in altersgleichen Gruppen der normative Druck größer sei und die Fachkräfte erwarten würden, dass Kinder in etwa die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. So würden Kinder, die von der Norm abweichen, schnell auffallen und „bestraft“ werden (Katz 1995, S. 2). Zudem könnte es zu Beziehungsabbrüchen kommen, wenn beim Wechsel in die nächst höhere Jahrgangsgruppe andere Fachkräfte die Leitung übernähmen. Dieses Problem kann aber leicht verhindert werden, wenn dasselbe Personal bei der Gruppe bleibt (bis zur Einschulung – also für bis zu sechs Jahre). Die Gruppe würde nur jedes Jahr größer werden, wenn neue Eltern ihre ein-, zwei- oder dreijährigen Kinder anmelden. Sie entspricht somit immer den staatlichen Förderbedingungen, die bei älteren Kindern größere Gruppen vorsehen.

Zwei-Jahrgangs-Gruppen

Bis in die 1990er Jahre hinein umfassten in den alten Bundesländern sowohl Kinderkrippen als auch Kindergärten zumeist nur zwei Jahrgänge, weil mangels Plätze keine Babys bzw. Dreijährige aufgenommen werden konnten. Da seit 1996 alle Dreijährigen einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben, gibt es in Kindergärten inzwischen (mindestens) drei Jahrgänge. Der letzte ist aber oft „ausgedünnt“, weil immer mehr Fünfjährige eingeschult werden.

In Kinderkrippen gibt es weiterhin zumeist nur zwei Jahrgänge, da (in Westdeutschland) der Platzbedarf noch nicht annähernd gedeckt ist. Auch wollen die meisten Eltern ihr Kind während des ersten Lebensjahres zu Hause betreuen – und können dies auch dank Elterngeld und gesetzlich geregelter Elternzeit. In den meisten Krippen werden Ein- und Zweijährige gemeinsam betreut – mit einer ähnlichen Begründung, wie zuvor hinsichtlich der Entwicklungsunterschiede von Gleichaltrigen angeführt: „Bisherige Untersuchungen sprechen dafür, dass ältere Kinder anregend auf jüngere wirken, besonders wenn die Altersdifferenz und somit ihr Entwicklungsvorsprung bei etwa einem Jahr liegt“ (Haug-Schnabel/ Bensel 2008, S. 48). So suchen Einjährige etwas häufiger den Kontakt zu Zweijährigen als zu Gleichaltrigen – allerdings sind in diesem Alter die Fachkräfte noch die am häufigsten nachgefragten Interaktionspartner (Ostermayer 2007, S. 119).

Bei Kindertagesstätten mit Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren sind manche Einrichtungen dazu übergegangen, eine kleinere Gruppe mit den Zwei- und Dreijährigen sowie eine größere Gruppe mit den Vier- bis Sechsjährigen zu bilden. So könne den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschieden alten Kinder besser entsprochen werden, ließen sich altersbezogene Raumkonzeptionen realisieren (Wüstenberg/ Schneider 2008). Bei Krippengruppen in Kindertagesstätten gibt es gelegentlich auch Untergruppen für Ein- bis Zwei- sowie für Zwei- bis Dreijährige, da sich die Fachkräfte dann am intensivsten auf die entsprechenden Entwicklungsalter einlassen könnten (Ostermayer 2007, S. 128). Die Dreijährigen werden später behutsam in die Kindergartengruppen der jeweiligen Einrichtung integriert.

Kleine Altersmischung

Hier werden drei Jahrgänge in einer Gruppe betreut, zumeist Null- bis Dreijährige. Derartige Gruppen befinden sich entweder in Kinderkrippen oder als sogenannte Krippengruppen in Kindertagesstätten. Da sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen (von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich) relativ klein sind, also im Durchschnitt nur 11 Kinder umfassen (Lange 2008b, S. 88; in einigen Bundesländern sind im Durchschnitt 13 Kinder in der Gruppe), bieten sie unter Dreijährigen Schutz, Sicherheit, Geborgenheit und Beziehungskontinuität für bis zu drei Jahre. Auch können sie viele Lernerfahrungen im abwechslungs- und anregungsreichen Krippenalltag machen. „Durch die natürlichen Entwicklungsunterschiede in der altersgemischten Gruppe werden Kinder nicht mehr so stark untereinander verglichen oder an sogenannten altersgemäßen Entwicklungsniveaus gemessen. Kinder geraten so weniger unter Leistungsdruck, sie können sich an Jüngeren und Älteren orientieren und ihre eigenen Entwicklungsschwerpunkte setzen“ (Landeshauptstadt München Sozialreferat Stadtjugendamt 2002, S. 10). Zudem treten die gleichen Bedürfnisse nicht so geballt wie in altershomogenen Gruppen auf (wo z.B. oft alle Babys gleichzeitig weinen), sodass die Arbeit der Fachkräfte weniger stressig ist – und generell vielfältiger.

In altersgemischten Gruppen treten relativ häufig asymmetrische (altersferne) Beziehungen auf. Hier werden jüngere Kinder von älteren bei Spielhandlungen und anderen Aktivitäten angeleitet und lernen wegen des großen Kompetenzgefälles von ihnen. Aufgrund der geringeren Körperkraft und niedrigeren Position in der Gruppe können sie zumeist den Verlauf des Spiels bzw. der Interaktion weniger mitbestimmen bzw. prägen als bei symmetrischen Beziehungen.

Es wird also davon ausgegangen, dass Kinder von der großen Unterschiedlichkeit der Erfahrungen, Kenntnisse und Kompetenzen in ihrer Gruppe profitieren: „Kindern fällt es erheblich leichter, von anderen Kindern zu lernen als von Erwachsenen, da der Entwicklungsunterschied noch nicht so unüberwindbar groß scheint. Das Sauberwerden, das Zähneputzen, das selbständige Essen, sich An- und Ausziehen wird so beiläufig erlernt“ (Landeshauptstadt München Sozialreferat Stadtjugendamt 2002, S. 11).

In nebenstehender Tabelle werden die Vor- und Nachteile der Altersmischung detailliert aufgelistet. Betrachtet man sie genauer, fällt auf, dass manche der dort genannten Vorteile in Krippengruppen seltener auftreten. Während beispielsweise Kinder im Kindergartenalter behutsam und fürsorglich mit Babys umgehen, ist dies bei Ein- und Zweijährigen nicht der Fall. So wird gewarnt: „Seien Sie sich, wenn Sie Kinder unterschiedlichen Alters in einer Gruppe haben, bewusst, dass Sie die kleinsten Kinder schützen müssen. Sollten Sie Säuglinge mit Kleinkindern zusammen in einer Gruppe haben, müssen Sie die Kinder, die sich nicht umherbewegen können, vor denen schützen, die dazu in der Lage sind“ (Gonzales-Mena/ Widmeyer-Eyer 2008, S. 151; beim Begriff „Kleinkinder“ handelt es sich wohl um einen Übersetzungsfehler. Im Original stand wahrscheinlich „toddler“ = unter Dreijähriger), indem z.B. ein Teil des Raumes abgegrenzt wird. Ferner muss verhindert werden, dass Krabbelkinder für sie ungeeignete Spielgeräte benutzen oder sehr kleines Spielmaterial in den Mund stecken und verschlucken. Aufgrund des Unterschieds in der Körperkraft müssen Einjährige oft auch bei Konflikten mit Zweijährigen unterstützt werden.

Chancen und Risiken der kleinen, erweiterten und großen Altersmischung

Vorteile

Nachteile

jüngere Kinder entwickeln Wortschatz und Sprachfertigkeiten in der Interaktion und im Spiel mit älteren, aber auch grob- und feinmotorische, kognitive und soziale Kompetenzen, Emotionskontrolle und Konfliktlösung

jüngere Kinder beteiligen sich an komplexeren Aktivitäten, die von den älteren eingeleitet wurden (und auf die sie von selbst nicht gekommen wären)

viel Modelllernen: die jüngeren Kinder ahmen die älteren nach, da diese mehr wissen und können, eine höhere Position in der Gruppe haben und mehr soziale Anerkennung erfahren

altersferne Kinder (mindestens zwei Jahre älter) dienen als „Zukunftsmodelle“

Tutoren-Effekt: wenn ältere Kinder jüngeren etwas beibringen, verfestigen sich Wissen und Kompetenzen

ältere Kinder entwickeln Verantwortung, Geduld und fürsorgliches Verhalten im Umgang mit jüngeren Kindern, helfen ihnen, trösten und ermutigen sie

Jungen entwickeln im Umgang mit kleineren Kindern auch eher „weiche“ Verhaltensweisen

ältere Kinder sind seltener aggressiv, regeln das eigene Verhalten stärker gegenüber jüngeren Kindern

da weniger ältere Kinder in der Gruppe sind, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass jedes gelegentlich die Leitung einer Kleingruppe übernimmt und somit Führungsfähigkeiten ausbilden kann

entwicklungsverzögerte ältere Kinder, die von Gleichaltrigen zurückgewiesen werden, können mit den jüngeren spielen

es gibt weniger Konkurrenz bzw. Rivalität und damit auch weniger Konflikte

mangels gleichgeschlechtlicher Gleichaltriger wird mehr mit andersgeschlechtlichen Kindern interagiert

Kinder ohne Geschwister lernen den Umgang mit jüngeren und älteren Kindern

Beziehungskontinuität aufgrund der langen Zugehörigkeit zur Gruppe

je größer die Altersmischung ist, umso weniger Kinder müssen jedes Jahr aufgenommen werden, umso leichter ist deren Eingewöhnung

pflegerische Tätigkeiten treten seltener auf als in Jahrgangsgruppen mit Babys oder Einjährigen

aufgrund der weiten Altersspanne vielfältigere, interessantere, abwechslungsreichere Arbeit

sich über viele Jahre erstreckende Zusammenarbeit mit den Eltern

mehr Kontakt der Eltern untereinander, mehr Bereitschaft zum Engagement für die Einrichtung

Babys finden wenig Ruhe, sind häufig gestresst

Ein- und Zweijährige leiden oft unter Reizüberflutung und Überstimulierung (für sie zu große Gruppe), können sich aufgrund der Ablenkung nicht in ihr Spiel vertiefen

jüngere Kinder fühlen sich überfordert und erleben sich kontinuierlich als weniger kompetent (negative Selbstwertgefühle)

jüngere Kinder werden von älteren bevormundet, dominiert und eingeschüchtert

ältere Kinder bringen jüngeren „schmutzige“ Wörter bei oder beeinflussen sie sonstwie negativ

ältere Kinder werden bei ihren Aktivitäten oft von den jüngeren gestört und reagieren dann abweisend bzw. aggressiv

ältere Kinder erfahren zu wenig Anregung und Förderung, insbesondere wenn die Fachkräfte stark von Babys und Einjährigen beansprucht werden

aufgrund der kleinen Zahl von „Schulanfängern“ wird die Schulvorbereitung vernachlässigt

„Schulanfänger“ werden weniger auf die Konkurrenzsituation mit vielen Gleichaltrigen in der Schule vorbereitet

fehlender Gruppenzusammenhalt aufgrund zu unterschiedlicher Interessen

für alle Altersstufen sind geeignete Spielsachen und -materialien vorzuhalten (jedoch weniger Auswahlmöglichkeiten für das einzelne Kind als in altersähnlichen Gruppen)

die pädagogische Arbeit ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen der Kinder komplizierter

Fachkräfte müssen sehr flexibel sein und situationsbezogen arbeiten, da jede Altersstufe eine andere Förderung im lebenspraktischen, sprachlichen, motorischen, kreativen, musischen... Bereich benötigt

mehr Planung ist notwendig: wann kann mit der ganzen Gruppe, wann mit einer Kleingruppe gearbeitet werden? (usw.)

mit zunehmender Altersmischung steigender Vorbereitungs- und Organisationsaufwand

viele Aktivitäten können nur mit einigen wenigen Kindern durchgeführt werden, weil die anderen über- bzw. unterfordert würden

Individualisierung und Arbeit in Kleingruppen kosten viel Zeit (ineffizient) und bedeuten in der Summe weniger Interaktion der Fachkraft mit dem einzelnen Kind, weniger Anleitung und weniger strukturierte Aktivitäten (sowie weniger Zeit für Zuwendung)

Konflikte können für bis zu sechs Jahre die Beziehung zu Eltern belasten

Die pädagogische Arbeit in altersgemischten Gruppen ist anspruchsvoller als in altershomogenen Gruppen. So muss beachtet werden, dass zwischen wenige Monate alten Babys und knapp Dreijährigen entwicklungsmäßig gesehen „Welten“ liegen: „Der individuelle Tagesablauf, geprägt durch den selbst gesteuerten Wechsel zwischen Ruhe- und Aktivitätsphasen, Ausdauer und Belastbarkeit, aber auch durch das nötige Ausmaß an regelmäßig präsenter und sofort abrufbarer Zugewandtheit und Antwortbereitschaft sind so unterschiedlich, dass ein einheitliches Angebot für alle Kinder zwischen zwölf und 36 Monaten Gefahr läuft, für keines wirklich passend zu sein“ (Bensel/ Haug-Schnabel 2008, S. 118).

Erweiterte Altersmischung

Die im Folgenden vorgestellten Formen der Altersmischung werden nahezu ausschließlich in Deutschland praktiziert. So liegen keine Erfahrungen bzw. Forschungsergebnisse aus anderen Ländern vor. Die große und die weite Altersmischung – hier werden fünf bzw. sieben bis zwölf Jahrgänge gemeinsam betreut – werden von ihren Anhängern sehr positiv gesehen. „Diese Euphorie ... steht in einem schroffen Gegensatz zu dem außerordentlich geringen empirischen Wissensstand über die Wirksamkeit verschiedener Formen der Altersmischung“ (Liegle 2007, S. 586). Bei der erst vor wenigen Jahren eingeführten erweiterten Altersmischung – der Aufnahme von Zweijährigen in Kindergartengruppen – hält sich die Begeisterung hingegen in Grenzen.

Der eine Grund hierfür ist, dass diese Form der Kindertagesbetreuung nicht aufgrund irgendwelcher frühpädagogischer Erwägungen bzw. aus Überzeugung entwickelt wurde, sondern aus der „Notlage“ heraus, dass aufgrund der negativen Geburtenentwicklung und des Trends hin zur Einschulung von Fünfjährigen in vielen Einrichtungen die Kinderzahl zurückging und deshalb Gruppen geschlossen werden sollten – außer für die ungenutzten Plätze würden genügend Zweijährige („Füllkinder“) gefunden. Während in Bundesländern mit Gruppenförderung diese Problematik nicht ganz so brisant war bzw. ist, da die Gruppenstärke bis zu einer Mindestkinderzahl abgesenkt werden kann, ohne dass dies förderschädlich ist, bedeutet bei Bundesländern mit Pro-Kopf-Förderung jeder ungenutzte Platz weniger Einnahmen, sodass die Träger der Kindertageseinrichtungen auf volle Belegung drängen (müssen).

Und dies ist der zweite Grund für die geringe Begeisterung über die erweiterte Altersmischung: Insbesondere in den letztgenannten Bundesländern befänden sich die Zweijährigen in so großen Gruppen, dass ihren besonderen Bedürfnissen nicht entsprochen werden könne: „In manchen Einrichtungen, die bisher 25 Kinder zwischen drei und sechs Jahren betreut haben, werden nun bis zu fünf Zweijährige aufgenommen, ohne dass eine Reduzierung der Gruppengröße stattfindet. Dies ergibt einen äußerst schlechten Personalschlüssel von 1:12,5. Kein Bundesland realisiert den wünschenswerten Schlüssel von 1:6 für alterserweiterte Gruppen...“ (Bensel/ Haug-Schnabel 2008, S. 121). Im Jahr 2006 betrug die durchschnittliche Kinderzahl in nur für Zweijährige geöffneten Kindergartengruppen bei Ganztagsbetreuung z.B. 24 Kinder in Bayern und 23 in Niedersachsen, bei Nichtganztagsbetreuung 24 Kinder in Bayern, Hamburg und Nordrhein-Westfalen sowie 23 Kinder in Niedersachsen und im Saarland (Lange 2008b, S. 99). Deshalb wird die erweiterte Altersmischung oft als „Billiglösung“ gegeißelt, da die Kosten pro unter dreijährigem Kind bei weiten niedriger lägen als bei den anderen Formen der institutionellen Kinderbetreuung (nur die Kindertagespflege dürfte für Bundesländer und Kommunen noch kostengünstiger sein).

Die zunehmende Betreuung von Zweijährigen in Kindergartengruppen und die stagnierende Zahl von Kinderkrippen verweist auf folgenden Trend: „Generell lässt sich eine neue Altersgrenze bei der Aufnahme von unter Dreijährigen festmachen. Auch wenn diese Altersgruppe in Fachöffentlichkeit und Statistik noch als einheitliche Gruppe behandelt wird, etabliert sich in der Praxis eine neue Grenzziehung zwischen den Zweijährigen und den unter Zweijährigen. Während die erste Gruppe bereits als ‚kindergartentauglich‘ wahrgenommen ... wird (...), gelten die institutionellen Anforderungen an eine Betreuung der unter Zweijährigen als inkompatibel“ (Jampert et al. 2003, S. 99).

Problematisiert wird, dass die Aufnahme von Zweijährigen als „Füllkinder“ oft unreflektiert, ohne zusätzliche Qualifizierung des Teams und ohne größere Veränderung der pädagogischen Arbeit erfolge. „So laufen diese Kleinen dann oftmals einfach mit, ohne dass ihre speziellen Bedürfnisse, Interessen und Kompetenzen berücksichtigt werden“ (Dieken 2008, S. 24). Und wenn nur einige wenige Zweijährige aufgenommen und dann auf alle Kindergartengruppen verteilt werden, erhalte das jeweilige Kind einen Sonderstatus: „Es wird von allen verwöhnt, als Prinz oder Prinzessin behandelt, und es wird so nicht Gruppenmitglied, sondern zum kleinen Exoten, der am dritten Geburtstag unverschuldet plötzlich vom Thron in die Normalität gestoßen wird. Solche ‚Einzelkinder‘ bleiben auch lange in unmittelbarer Nähe der Erzieherin“ (Haug-Schnabel/Bensel 2008, S. 60). Im Jahr 2006 wurde in 55% der Kindergartengruppen nur ein Zweijähriges untergebracht; in weiteren 24% der Gruppen waren es zwei Kinder (Lange 2008b, S. 98).

Deshalb sollten vor der ersten Aufnahme von Zweijährigen die Konzeption der Kindertageseinrichtung, die Raumgestaltung, der Tagesablauf und vor allem die pädagogische Arbeit dahingehend überprüft werden, welche Veränderungen notwendig sind, um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können. Beispielsweise müsste den Bedürfnissen von Zweijährigen nach einer besonders behutsamen Eingewöhnung, nach einer engeren Beziehung zu einer Fachkraft, nach Ruhezeiten usw. entsprochen werden, müssten sie anders als ältere Kinder erzogen und gebildet werden (Griebel et al. 2004). Vor allem aber dürften Zweijährige nicht länger als „Füllkinder“ gesehen werden...

Große Altersmischung

In Kindertageseinrichtungen, die Kinder ab einem Alter von einigen Monaten (oder einem Jahr) aufnehmen, besteht Beziehungskontinuität über fünf Jahre hinweg (außer bei Personalwechsel). Auch entfällt der Übergang von der Kinderkrippe bzw. Tagespflegestelle in den Kindergarten. Die Gruppen sind mit durchschnittlich 15 (Ganztagsbetreuung) bzw. 16 Kindern (Nichtganztagsbetreuung) kleiner als Kindergarten-, aber größer als Krippengruppen; sie können aber im Durchschnitt 21 Kinder umfassen (so in Bayern bei Nichtganztagsgruppen) (Lange 2008b, S. 90).

Bei zwei Fachkräften pro Gruppe ist es relativ schwierig, die altersspezifischen Bedürfnisse und Interessen der Kinder hinsichtlich Pflege, Zuwendung, Erziehung, Anleitung und bildender Angebote zu berücksichtigen – aber auch hinsichtlich Raumgestaltung und -ausstattung: „Das Wichtigste an einer Lernumgebung ist, dass sie der Entwicklung der jeweiligen Altersgruppe angemessen ist. Säuglingen ist mit einer ausschließlich für Kleinkinder geplanten Umgebung nicht gedient, genau wie Kleinkinder sich in einer nur für Säuglinge oder Vorschüler geplanten Umgebung anders verhalten als sonst. Es ist unbedingt nötig, dass die Umgebung der Entwicklung entspricht. Häufig müssen Sie extrem flexibel sein, wenn Sie Säuglinge und Kleinkinder in ein und demselben Raum haben. Die Umgebung muss nicht nur die Bedürfnisse der speziellen Alterskonstellation berücksichtigen, sondern auch auf die im Laufe der Zeit durch Wachstum und Entwicklung der Kinder eintretenden Veränderungen“ (Gonzales-Mena/ Widmeyer-Eyer 2008, S. 423). Deshalb sollte mehr Platz als in Kindergartengruppen vorhanden sein, da Spielbereiche für unterschiedlich alte Kinder mit verschiedenen Spielsachen und -materialien benötigt werden (inkl. Nebenräume für die Kleingruppenarbeit, für das Wickeln und Füttern sowie für die Bettruhe von unter Dreijährigen).

Die großen Alters- bzw. Entwicklungsunterschiede machen es auch notwendig, manchmal die kleinen Kinder von den größeren zu separieren (wenn Letztere z.B. sehr laut sind oder herumtoben), sie vor den Großen zu schützen (z.B. wenn diese Kleine wie „Spielzeug“ benutzen, vgl. Dieken 2008, S. 32) oder sie getrennt zu fördern: „Wichtig ist: So viel Kommunikation und Interaktion zwischen den Altersgruppen wie als anregend empfunden wird, aber auch so viel bewusst durchgeführte Trennung und separate Angebote für altersgleiche und altersähnliche Kinder wie nötig“ (Haug-Schnabel/ Bensel 2008, S. 49).

Nach mehreren Untersuchungen kommt es auch während der Freispielzeit oft zu einer Separierung der Altersgruppen. So zeigte sich, dass Kleinkinder lieber mit (gleichgeschlechtlichen) Gleichaltrigen spielen (insbesondere wenn mindestens fünf altersähnliche Kinder zur Verfügung stehen) und mit diesen begonnene Aktivitäten häufig an den nächsten Tagen fortsetzen. Die ebenfalls entstehenden Spielgruppen mit jüngeren bzw. älteren Kindern sind hingegen nicht konstant; die Beziehungen und Spielideen werden also nicht kontinuierlich weiterentwickelt. Außerdem ist bei altersfernen Spielgruppen der Altersabstand zumeist begrenzt; nur selten sind ein- bis sechsjährige Kinder gemeinsam aktiv. Jüngere Kinder spielten auch sehr häufig für sich alleine (Wüstenberg/ Riemann 2008; Wüstenberg/ Schneider 2008; vgl. Liegle 2007).

Die Anforderungen an die Fachkräfte gelten als höher als bei einer Tätigkeit in Kindergartengruppen. Ihnen kann aber oft nur teilweise entsprochen werden: „Viele Erzieherinnen fühlen sich darin überfordert, angesichts der Bandbreite der Alters- bzw. Entwicklungsunterschiede allen Kindern gerecht zu werden, und stellen fest, dass immer wieder entweder die jüngeren oder die älteren Kinder zu kurz kommen“ (Liegle 2007, S. 589). Diese Situation tritt häufiger bei einer schlechten Strukturqualität (z.B. große Gruppen, schlechter Fachkraft-Kind-Schlüssel) und bei einer unzureichenden Qualifizierung des Personals für die Tätigkeit in Gruppen mit großer Altersmischung auf.

Nestgruppen in Kindertageseinrichtungen mit erweiterter oder großer Altersmischung

Nestgruppen für Zweijährige (und Dreijährige) sind an manchen Kindertageseinrichtungen mit erweiterter Altersmischung und Nestgruppen für (neu aufgenommene) Babys und Einjährige (und Zweijährige) sind an einigen Kindertagesstätten mit großer Altersmischung eingerichtet worden. Wie der Begriff „Nest“ schon ausdrückt, soll diesen Kindern Überschaubarkeit, Wärme und Geborgenheit in einer kleinen Gruppe mit einer niedrigen Fachkraft-Kind-Relation geboten werden, „wo alles auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist, d.h., inhaltliche Konzeption, räumliche und materielle Angebote werden wie in einer Krippengruppe entwickelt“ (Wüstenberg/Schneider 2008, S. 160). So gibt es auch einen eigenen „Nestraum“.

In vielen Nestgruppen wird eine gewisse Altersmischung angestrebt, denn: „Jüngere Kinder brauchen einerseits Altersabstände in der Gruppe – auch wenn diese nur wenige Monate betragen –, damit sie über Verhaltensmodelle zur Imitation und zur Übertragung auf neue Situationen verfügen. Andererseits ist die Erfahrung altersgleicher symmetrischer Interaktion für die jüngeren Kinder von großer Bedeutung, damit ‚Konzepte von Gleichheit und Gerechtigkeit‘ entwickelt werden können“ (Knauf 2007, 33 f.).

Manche Nestgruppen bestehen nur für eine begrenzte Zeit: So kommen ältere Kinder zu Besuch, und Nestgruppenkinder erkunden zunehmend die altersgemischte Gruppe(n) bzw. den offenen Bereich (s.u.) der Tageseinrichtung. Fühlen sie sich dort „heimisch“, verlassen sie das „Nest“. Andere Nestgruppen bestehen für ein Jahr, wobei während dieser Zeit schon der Kontakt zu den größeren Kindern angebahnt wird. Dann wechseln die Nestgruppenkinder in Kleingruppen in die altersgemischten Gruppen (Knauf 2007; Wüstenberg/ Schneider 2008).

Die Eingewöhnung von unter Dreijährigen in Kindertageseinrichtungen mit erweiterter oder großer Altersmischung kann aber auch durch Krabbel- und Spielgruppen erleichtert werden, die z.B. nachmittags angeboten werden – insbesondere wenn dann schon viele betreute Kinder abgeholt wurden. Sie dürfen aber nicht isoliert von den anderen Gruppen sein, da sonst mit Übergangsproblemen zu rechnen ist und eine zweite Eingewöhnung nötig sei. Mit dieser Argumentation werden gelegentlich auch Nestgruppen generell abgelehnt. Zudem käme es hier zu Beziehungsabbrüchen, wenn die Bezugserzieherin nicht mit in die altersgemischte Gruppe wechselt (Knauf 2007; kritisch: Haug-Schnabel/ Bensel 2008; Dieken 2008, S. 25).

Weite Altersmischung

In relativ wenigen Tageseinrichtungen mit unter Dreijährigen und Kleinkindern befinden sich auch Schulkinder in der Gruppe, sodass eine weite Altersmischung von 1 bis 10 oder gar von 0 bis 12 Jahren entsteht. Nahezu alle diese Einrichtungen dürften in Westdeutschland liegen: „Hier sind Schulkinder weitaus häufiger in Gruppen zu finden, die sie gemeinsam mit Kindern, die noch nicht die Schule besuchen, in Anspruch nehmen. Etwa 27.600 Schulkinder (15,0%) besuchen in Westdeutschland Einrichtungen mit ausschließlich altersgemischten Gruppen, hinzu kommen noch weitere Schulkinder in den altersgemischten Gruppen von Tageseinrichtungen, in denen sowohl alterseinheitliche als auch altersgemischte Gruppen zu finden sind“ (Lange 2008a, S. 58). Die meisten dieser weit altersgemischten Gruppen nehmen wahrscheinlich aber erst Kinder ab drei Jahren auf.

Hier können also Kinder – und Geschwister – ab den ersten Lebensmonaten bis über das Ende der Grundschulzeit hinaus kontinuierlich betreut werden (häufig sogar von denselben Fachkräften). Je nach Zahl der unter Dreijährigen haben diese Gruppen zwischen 15 und 20 Kindern. Das bedeutet, dass schon rein theoretisch bei 13 Jahrgängen nur jede Altersstufe mit einem Kind bzw. mit maximal zwei Kindern vertreten sein kann. Es ist bei der weiten Altersmischung also schwierig, sowohl eine ausgeglichene Altersstruktur als auch eine Ausgewogenheit hinsichtlich der Geschlechter zu erreichen. Zudem hat jede Altersgruppe andere Bedürfnisse und Interessen, stellt andere Ansprüche an die Fachkräfte, verlangt andere Rechte und Regeln, benötigt andere Sitzgelegenheiten, Tischhöhen, Spielsachen, Materialien...

Neben den in der vorstehenden Tabelle genannten Vor- und Nachteilen der kleinen, erweiterten und großen Altersmischung treten bei der weiten Altersmischung noch andere auf. So gehört zu den Chancen, dass

  • die Schulvorbereitung leichter fällt, wenn Schulkinder in der Gruppe sind und vom Schulalltag erzählen.
  • Schulkinder ihre neuen Kompetenzen in die Gruppe einbringen, also z.B. kleineren Kindern vorlesen, ihnen etwas beibringen oder deren Namen unter selbst gemalte Bilder schreiben.
  • sich Schulkinder von der Schule erholen können, indem sie mit jüngeren Kindern spielen oder herumtoben.
  • sich die Altersmischung positiv auf schüchterne Kinder auswirken: „Ältere Kinder, die sich in Kontakten mit Gleichaltrigen schwer tun, können über erfolgreiche Kontakte mit Jüngeren in die Gruppe integriert werden; jüngere Kinder über Kontakte mit sozial kompetenten älteren Kindern“ (Griebel et al. 2004, S. 38).

Mögliche Probleme bei der weiten Altersmischung sind, dass

  • die Kinder an den „Rändern“ der weiten Altersmischung relativ wenige altersnahe (gleichgeschlechtliche) Spielkameraden vorfinden, obwohl diese zumeist bevorzugt werden.
  • die Fachkräfte mit fünf und mehr Lehrer/innen Kontakt halten, die Lehrpläne von mindestens vier Klassenstufen kennen und bei jedem Schulkind andere Hausaufgaben betreuen müssen.
  • die Schulkinder oft nicht genügend kognitiv und schulisch gefördert werden oder sich im Spiel mit jüngeren Kindern häufig langweilen.
  • bei älteren Kindern Entwicklungsverzögerungen nicht bemerkt werden, weil der Vergleich mit Gleichaltrigen fehlt.
  • letztlich nur wenig Zeit für Aktivitäten mit jüngeren Kindern vorhanden ist, wenn die Schulkinder erst spät aus der Schule kommen, alleine zu Mittag essen und dann ihre Hausaufgaben machen.
  • die ältesten Kinder als „Hilfserzieher“ eingesetzt werden.

Schließlich ist Folgendes zu bedenken: „Weitere Risiken für die jüngeren Kinder können darin liegen, dass sie mit zu vielen Reizen überflutet werden und nicht genügend Ruhe bekommen, weil die aktiven älteren Kinder zu viel Unruhe in die Gruppe bringen. Es kann auch sein, dass die Jüngeren nicht genügend Zuwendung von den Erzieherinnen erhalten, wenn diese sich mit den Älteren beschäftigen. Wenn ein Kind lange das jüngste in der Gruppe ist, so kann es zu einer starken Verfestigung der Rolle als Jüngster kommen. Dann kann es sein, dass das Kind sich helfen lässt, auch wenn es eigentlich etwas schon selbst kann. Oder es wird entmutigt, wenn es merkt, dass alle anderen Kinder kompetenter sind als es selbst. Ein weiteres Problem kann darin bestehen, dass ein sehr junges Kind isoliert wird, weil es sprachlich und motorisch nicht so kompetent ist. Meistens kümmern sich die älteren Kinder zunächst intensiv um ein neues jüngstes Kind, verlieren aber irgendwann das Interesse,...“ (Griebel et al. 2004, S. 41).

Die pädagogische Arbeit in weit altersgemischten Gruppen ist also mit besonders hohen Anforderungen an die Fachkräfte verbunden. Aufgrund der höchst unterschiedlichen Entwicklungsstufen und Bedürfnisse müssen sie viel Zeit mit einzelnen Kindern oder altersähnliche Kleingruppen verbringen. Das ist nur mit einem guten Personalschlüssel möglich (2,5 bis 3 Stellen pro Gruppe, je nach Zahl der unter Dreijährigen und der Länge der Öffnungszeiten).

Exkurs: halboffene und offene Kindertageseinrichtungen

Je größer die Altersmischung wird, umso weniger altersgleiche Kinder befinden sich in der Gruppe. Somit können seltener symmetrische Beziehungen entstehen, die für die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung von Kindern mindestens genauso wichtig wie asymmetrische Beziehungen sind (s.o.). Deshalb plädieren nahezu alle Befürworter einer großen oder weiten Altersmischung für eine Öffnung der Gruppen: So könnten Kontakte zu gleichaltrigen Kindern aus anderen Gruppen entstehen (betreute Schulkinder sollten auch gelegentlich Klassenkameraden oder Freunde mitbringen können.). Bei der großen Altersmischung müssten sich zwei Gruppen und bei der weiten Altersmischung sogar vier Gruppen zueinander öffnen, damit alle Kinder zwischen genügend Gleichaltrigen wählen können (Ostermayer 2007; vgl. Griebel et al. 2004, S. 121).

Bei halboffenen Gruppen verbringen die Kinder einen Teil der Zeit in ihrer Stammgruppe, die auch über einen eigenen Raum verfügt. Für den anderen Teil des Tages können alle Räume der Kindertageseinrichtung benutzt werden. Bei offenen Tagesstätten sind die Gruppen aufgelöst worden. Die Kinder können mehr oder minder frei wählen, in welchen Bereichen sie sich aufhalten möchten.

Bei halboffenen Gruppen ist ein Teil der Räume und bei offenen Kindertagesstätten sind alle Räume zu Funktionsräumen umgestaltet worden (z.B. Bewegungsbaustelle, Atelier, Werkstätte, Lese- und Ruhezimmer, Experimentierraum). Diese werden nicht nur in der Freispielzeit genutzt, sondern hier machen die Fachkräfte auch unterschiedliche Angebote, zwischen denen die Kinder wählen können. Die Aktivitäten können entweder alle Kinder oder nur eine bestimmte Altersgruppe ansprechen. Auf diese Weise können sich einzelne Fachkräfte auf einige Förderbereiche spezialisieren (z.B. auf Naturwissenschaft und Technik, musikalische Bildung oder Theaterspiel mit Kindern) und hier besondere Kompetenzen ausbilden – was allen Kindern zugute kommt.

Unter dreijährige Kinder sind häufig während der offenen Phasen überfordert und gestresst. Sie fühlen sich nicht wohl und geborgen, insbesondere wenn ihre Bezugserzieherin in einem anderen Raum ein Angebot für ältere Kinder macht. Deshalb sollten Fachkräfte „ein besonderes Augenmerk auf die unter Dreijährigen haben, ihnen gut zureden, ihnen Hilfe und gelegentlich auch Trost geben“ (Knauf 2007, S. 35). Aufgrund der skizzierten Problematik nehmen viele Einrichtungen mit weiter Altersmischung Kinder erst ab drei Jahren auf. Andere Kindertagesstätten arbeiten mit Nestgruppen (s.o.) oder betreuen unter Dreijährige nur am Vormittag, wenn die älteren Kinder die Schule besuchen und somit die (Stamm-) Gruppen relativ klein und überschaubar sind.

Fazit

Weltweit gesehen, werden die weitaus meisten unter Dreijährigen entweder in altershomogenen Gruppen oder in Gruppen mit kleiner Altersmischung betreut. Generell wird bei einer Bevorzugung von altersgleichen Gruppen eher der Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen betont, während bei altersgemischten Gruppen die Sozialerziehung und Partizipation der Kinder hervorgehoben werden (Liegle 2007, S. 588). Die erweiterte, die große und die weite Altersmischung werden – wie bereits erwähnt – außerhalb Deutschlands kaum praktiziert; hier gilt: „Wie der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung festgestellt hat, wird der Frage der Altersmischung von Kindergruppen in Tageseinrichtungen zwar große Bedeutung beigemessen, allerdings gäbe es bedauerlicherweise in Deutschland keine empirischen Untersuchungen zu den Auswirkungen der verschiedenen Formen der Altersgruppierung auf Kinder; die behaupteten Vorteile wie Nachteile bewegten sich vorwiegend im Bereich der Spekulation (...)“ (Liegle 2007, S. 589).

Auch werden die Chancen und Risiken der verschiedenen Formen der Altersmischung zumeist aus dem psychologischen und weniger aus dem pädagogischen Blickwinkel heraus analysiert. So wird kaum erörtert, nach welchen didaktischen und methodischen Prinzipien in verschieden altersgemischten Gruppen Basiskompetenzen gefördert und Bildungsinhalte vermittelt werden können. Es bleibt also letztlich die Frage offen, wie die Bildungspläne der Bundesländer umgesetzt werden können, wenn sich die Kinder in der jeweiligen Gruppe auf ganz unterschiedlichen Entwicklungsstufen befinden.

Quelle

Aus: Maria-Theresia Münch/ Martin R. Textor (Hg.): Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige zwischen Ausbau und Bildungsauftrag. Berlin: Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 2009, S. 107-120

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