Familienzentren in Nordrhein-Westfalen - eine erste kritische Stellungnahme

Martin R. Textor

 

Als ich vor knapp 25 Jahren meine ersten Fortbildungen für Erzieher/innen durchführte, saßen mir fast nur junge Frauen gegenüber. Jetzt ist es genau umgekehrt - zumeist sind "gestandene Weibsbilder" anwesend, wie man in Bayern sagen würde. Und denen kann man nach Jahrzehnten der Berufserfahrung nicht mehr viel Neues erzählen. Denn was haben wir in den letzten Jahrzehnten nicht schon alles erlebt?

Nun, die 1950er Jahre kennen wir eher vom Hörensagen: Die meisten Mütter waren zu Hause, und so hatte der Kindergarten nur eine familienergänzende Funktion: Kinder sollten vor allem Sozialerfahrungen machen, damit sie sich nach der Einschulung besser in die Klassengemeinschaft integrieren konnten.

Dann kam in den 1960er Jahren der Sputnik-Schock, und alles wurde anders: Der Kindergarten wurde als Bildungseinrichtung entdeckt; Vorschulblätter, Lückerts Methode des frühen Lesenlernens und mathematisch-naturwissenschaftliche Angebote hatten Hochkonjunktur. Sprachförderprogramme wurden eingeführt, um Unterschichtkinder von ihrem restringierten Sprachcode zu "befreien". Eine Vorverlegung des Einschulungsalters auf fünf Jahre wurde intensiv diskutiert und erprobt.

In den 1970er Jahren wurde alles anders: Der neu entwickelte Situationsansatz revolutionierte die Kindergärten. Die Kinder wurden nicht mehr instruiert, sondern es wurde abgewartet, was sie von sich aus für "Themen" einbrachten. Die Kinder sollten Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz in für sie relevanten Situationen entwickeln. In der gleichen Zeit wurde "Multikulti" hoch bewertet: Die interkulturelle Erziehung wurde in groß angelegten Modellversuchen erprobt.

In den 1980er Jahren wurde der Situationsansatz zur Routine. Viele Erzieher/innen hielten nach neuen Ideen Ausschau, "entdeckten" die Montessori- und vor allem die Reggio-Pädagogik. Individuelle pädagogische Konzeptionen wurden für die eigenen Einrichtungen entwickelt. Behinderte Kinder wurden aus den Sondereinrichtungen geholt; die integrative Erziehung war in aller Munde.

In den 1990er Jahren begann die Qualitätsdiskussion. Zunehmend wurde eine Ausweitung der Betreuungsangebote auf Unter-Dreijährige und Schulkinder gefordert. Und so entstanden immer mehr Einrichtungen mit weiter Altersmischung. Obwohl hier mehr Individualisierung notwendig wäre, führten die Sparzwänge eher zu einer Verschlechterung der Rahmenbedingungen.

Und nun haben wir gleich zweimal hintereinander einen PISA-Schock erlebt. Kein Wunder, dass die bereits in den 1960er Jahren geführte Bildungsdiskussion wieder in vollem Gange ist, wieder Vorschulhefte, Zahlenprojekte, naturwissenschaftliche Experimente usw. in Kindertageseinrichtungen einziehen. Neu ist, dass die Bundesländer nun Bildungsprogramme entwickelt haben - in Bayern wurden die Erzieher/innen sogar mit einem 488 Seiten dicken Bildungs- und Erziehungsplan "beglückt". "Multikulti" ist out, und so richten sich heute die Sprachförderprogramme eher an Kinder mit Migrationshintergrund als - wie damals - an Unterschichtkinder.

Wer will da behaupten, dass Erzieher/innen kein abwechslungsreiches Leben haben? Was unsere älteren Kolleg/innen schon alles miterleben durften! Unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsförderung ist dies nur zu begrüßen: Immer wieder neue Herausforderungen halten jung! Sogar neue Gehirnzellen werden gebildet, wie erst vor kurzem die Hirnforschung herausfand. Wer geistig aktiv bleibt, entwickelt auch nicht so schnell Alzheimer. Und dass ist für Erzieher/innen gut so, denn die jüngeren Kolleg/innen unter uns werden sicherlich bis zu ihrem 70. Lebensjahr erwerbstätig sein müssen...

Auch mein beruflicher Werdegang war sehr abwechslungsreich - aber eins blieb immer gleich: die Beschäftigung mit Elternarbeit. Zunächst war ich als Familienforscher tätig - und gab Fortbildungen für Erzieher/innen zu Themen wie Familienwandel, Kinder aus Scheidungsfamilien oder Ausländerfamilien. Dann führte ich ein Projekt zu familienunterstützenden Maßnahmen im Kindergarten durch. Die Wiedervereinigung mit ihren hohen Folgekosten verhinderte aber, dass die als notwendig erachteten Angebote einer intensiven Beratung und Betreuung von Familien in Kindertageseinrichtungen eingeführt werden konnten - sei es auch "nur" in sozialen Brennpunkten. So führte ich fünf Jahre lang ein Projekt "Intensivierung der Elternarbeit" durch, bei dem rein mit den Ressourcen des Kindergartens gearbeitet wurde. Dann erprobte ich zusammen mit 25 Jugendämtern die Vernetzung von Kindertageseinrichtungen mit psychosozialen Diensten. Anschließend beteiligte ich mich am Aufbau des Online-Familienhandbuchs, einem Angebot der Elternbildung.

Positiv erlebte ich in diesen rund 20 Jahren, dass Erzieher/innen immer mehr die Bedeutung der Elternarbeit erkannten und neue Angebotsformen in ihren Einrichtungen einführten. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft wurden auch Häufigkeit und Dauer von Termingesprächen ausgeweitet. Negativ erlebte ich hingegen, dass sich aufgrund der Verschlechterung der Rahmenbedingungen und der zusätzlichen Anforderungen an Erzieher/innen Elternbildung in Kindertageseinrichtungen immer weniger realisieren lässt und die Zeit für Vernetzungsaktivitäten zunehmend fehlt. Hinzu kommt, dass potentielle Kooperationspartner wie Beratungsstellen, Jugendämter und Frühförderstellen unter Stellenabbau und Einsparungszwängen leiden, also von sich aus eine Vernetzung nicht mehr vorantreiben (können).

Die Fortentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren

Aber seit einigen Wochen fühle ich mich hoch beglückt; alle meine negativen Erfahrungen wurden relativiert: Nordrhein-Westfalen führt Familienzentren ein! Was für ein Glück, dass die Zuständigkeit für Kindertageseinrichtungen innerhalb von wenigen Jahren vom Sozialministerium über das Bildungsministerium zum Generationenministerium wanderte: Kindertagesstätten werden endlich Familieneinrichtungen!

Während im November auf einer Tagung in Gelsenkirchen von dem zuständigen Referatsleiter des MGFFI noch keine Auskünfte über die Konzeption der Familienzentren erteilt werden konnten, sehen wir spätestens seit dem 10. Januar klar: Nordrhein-Westfalen befindet sich auf dem Weg "zum kinder- und familienfreundlichsten Land in Deutschland", wie Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in Düsseldorf erklärte. Das Kabinett habe die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren beschlossen. Damit reagiere die Landesregierung auf den wachsenden Bedarf der Eltern an Beratung und Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgaben. Und Familienminister Armin Laschet ergänzte: "Die Anforderungen an die Erziehung von Kindern sind deutlich gestiegen. Politik darf Eltern dabei nicht allein lassen, sondern muss Lösungs- und Unterstützungsmöglichkeiten anbieten. Deshalb setzt die Landesregierung auf Kompetenzen vor Ort. Eltern vertrauen den Einrichtungen, in denen ihre Kinder betreut werden. Deshalb ist das der beste Ort für Beratung". Die zahlreichen tragischen Fälle der letzten Monate, bei denen Kinder misshandelt oder gar zu Tode gekommen sind, würden deutlich machen, dass hier dringender Handlungsbedarf bestehe.

Und nun würden die drei B - Betreuung, Bildung und Beratung - zur Grundlage vorschulischer Erziehung, wie Laschet erklärte. Die ersten 250 zukünftigen Familienzentren gingen bereits an den Start - mehr als 1.000 Kitas hatten sich für die Erprobungsphase beworben. In ihnen werden die Förderung der Kinder und die Unterstützung der Familien "Hand in Hand" gehen, so Rüttgers. So soll vor allem mit den örtlichen Familienberatungsstellen, den Familienbildungsstätten sowie den Familienverbänden intensiv kooperiert werden. Erfolgreiche Kindertageseinrichtungen werden im Mai 2007 sogar ein Gütesiegel als "Familienzentrum NRW" erhalten. Langfristig soll dann ein Drittel der mehr als 9.700 Tageseinrichtungen für Kinder zu einem Familienzentrum ausgebaut werden.

Sehr erfreulich finde ich auch, dass laut Minister Laschet jede hier auf dieser Tagung vertretene Kindertagesstätte schon in diesem Jahr mit der Umsetzung der von den Piloteinrichtungen gemachten Erfahrungen beginnen kann, denn der Transfer der Ergebnisse an alle interessierten Einrichtungen sei schon organisiert. Den für die bis Ende März 2007 andauernde Pilotphase ausgewählten Tagesstätten sichert das Land eine Unterstützung in Form eines Coachings durch das Institut für soziale Arbeit e.V. (ISA) zu. Ferner wurden vier regionale Kompetenzteams gegründet, die sich aus Vertreter/innen der Träger von Kindertageseinrichtungen, der Familienbildung und -beratung und der Landesjugendämter sowie aus weiteren Expert/innen zusammensetzen. Die wissenschaftliche Begleitung wurde der Pädagogischen Qualitäts-Informations-Systeme gGmbH (PädQUIS) unter der Leitung von Professor Tietze übertragen.

Minister Laschet sagte: "Unser Ziel ist es, dass die Familienzentren zu 'Leitstellen' für soziale Gestaltungsprozesse im Stadtteil werden. Mit der Bündelung der vorhandenen Angebote wollen wir die Möglichkeiten präventiven Handelns verbessern, für alle Familien frühzeitig Hilfe und Beratung anbieten. Wichtig ist dabei auch, Familien mit Zuwanderungsgeschichte und aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Schichten zu erreichen und ihnen die Angebote leichter zugänglich zu machen."

Wie die Familienzentren dauerhaft gestaltet werden, soll in der Pilotphase entwickelt und wissenschaftlich untersucht werden. Minister Laschet hat jedoch schon genaue Vorstellungen: "Sicher ist, dass es unterschiedliche Typen von Familienzentren geben wird, denn sie müssen sich an dem örtlichen Bedarf und an den Möglichkeiten einer Kindertageseinrichtung orientieren." Denkbar seien derzeit vor allem drei Modelle:

  1. Beim Modell "Unter einem Dach" wird ein für alle Familienzentren fest definiertes Angebot an Hilfen in der Kindertageseinrichtung vorgehalten.
  2. Das Modell "Lotse" ist ein Verbund verschiedener Dienste, die untereinander kooperieren. Aufgabe der Kindertageseinrichtung ist es, erste Anlaufstelle für Familien mit Problemen zu sein und diese kompetent an die zuständigen Stellen weiter zu leiten.
  3. Das Modell "Galerie" sieht vor, dass konkrete Hilfs- und Beratungsangebote unter dem Dach der Kindertageseinrichtung vorgehalten werden. Die Zusammenstellung dieser Angebote wird von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich sein und sich nach den örtlichen Gegebenheiten und den räumlichen Möglichkeiten der Einrichtung richten.

Noch einmal Minister Laschet im Wortlaut: "Zusammen mit dem Ausbau der Betreuung für die unter 3Jährigen, die Verdoppelung der Sprachförderung im Kindergarten und die Vermittlung von Tageseltern, die ebenfalls in den Familienzentren angeboten werden soll, schaffen wir mit der Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren ein gutes Fundament für mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit in Nordrhein-Westfalen" (alle Zitate und indirekt zitierten Texte aus der Pressemitteilung des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration vom 10.01.2006).

Noch konkreter wurden die Mitglieder des "Workshop Familienzentren", veranstaltet vom MGFFI am 28.09.2005. Sie nannten z.B. folgende Aufgaben, die Familienzentren übernehmen sollen:

  • Schaffung eines offenen Treffpunkts für Familien, eines niederschwelligen Angebots für Kinder und Eltern sowie einer Anlaufstelle für Kinder in Not
  • Aufsuchen der Familien durch die Familienzentren
  • Kinderbetreuung auch zu ungewöhnlichen Zeiten
  • Bereitstellung der offenen Betreuungsmöglichkeit
  • Bereitstellung von ad-hoc-Betreuungshilfen
  • Vermittlung von Erziehungsberatung, Schwangeren- und Konfliktberatung, Paar- und Trennungsberatung sowie Schuldnerberatung
  • niederschwelliges und zielgruppenorientiertes Bildungsangebot zu Fragen der Erziehungs-, Alltags- und Entwicklungsbegleitungskompetenz sowie der musischen Bildung
  • Kooperation mit ASD und Sozialpädagogischer Familienhilfe
  • Fortbildung im Case-Management
  • verstärkte Einbindung Ehrenamtlicher
  • Servicedienste für Familien und Koordinierung der "Servicestelle"
  • Schaffung einer qualifizierten Clearingfunktion
  • Schaffung offener Angebote für alle Altersgruppen, von generationenübergreifenden Angeboten und generationenübergreifender Selbsthilfe
  • Bereitstellung einer Anlaufstelle im Vorfeld der Familiengründung
  • Schaffung des Kontakts zu Eltern und Familien ab der Geburt
  • Bereitstellung eines Angebots in der Gesundheitsvorsorge und -bildung
  • Schaffung eines Angebots in der Gesundheitsförderung (Motopädie, Logopädie, Familienhebammen, Kinderuntersuchungen, kinderärztlicher Dienst, zahnärztlicher Dienst) sowie von prä- und postnatalen Angeboten
  • Einrichtung eines Angebots von Sprachkursen für Eltern und Kinder
  • Förderung der Integration von Kindern mit Behinderungen
  • Kooperation mit den Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA)
  • Unterstützung von Nachbarschaftshilfen für/mit Familien
  • Einrichtung einer Infobörse für familienorientierte Angebote (z.B. im Stadtteil)
  • Einrichtung eines Familiencafés
  • Schaffung von Freizeitangeboten für Familien, inklusive von Familienfreizeiten

All das, was ich in den letzten zwei Jahrzehnten in Modellversuchen erprobt und in vielen Publikationen gefordert habe und was Bayern wegen des alles überragenden Ziels eines schuldenfreien Haushalts nicht anstrebt, wird nun in Nordrhein-Westfalen umgesetzt werden: Spätestens im nächsten Jahr wird ein Drittel der heute hier anwesenden Erzieher/innen Familienbildung und Elternberatung anbieten können, werden ihre Einrichtungen mit psychosozialen Diensten intensiv kooperieren! Ja, sie werden sogar noch Angebote machen, an die ich bisher noch nicht einmal zu denken gewagt habe! Meine kühnsten Träume werden wahr!

Nun wissen wir also, was in den kommenden 10 Jahren die Kindertageseinrichtungen prägen wird. Und es sieht so aus, als ob Ihre Arbeit, liebe Kolleg/innen, wieder ganz neuartig, abwechslungsreich und spannend wird.

Und nachdem nun Nordrhein-Westfalen auf dem Gebiet der Elternarbeit so fortschrittlich ist, dass es fortschrittlicher gar nicht mehr geht, soll ich heute über "innovative Ansätze" reden. Und das, obwohl ich aus dem auf diesem Gebiet so weit zurückgebliebenen Bayern komme, pardon: aus dem Freistaat Bayern. Bei uns feiert man heuer lieber 200 Jahre Königreich Bayern anstatt sich über die Kindertagesbetreuung Gedanken machen. Was soll ich Ihnen da über Elternarbeit sagen?

Zunächst fallen mir nur einige kritische Fragen ein, z.B.:

  • Wie will die Landesregierung die Einführung der Familienzentren mit nur 2,5 Mio. EUR an Fördermitteln - die auch noch bis einschließlich 2007 reichen sollen - finanzieren?
  • Woher sollen auf einmal all die personellen und zeitlichen Ressourcen herkommen, die vor allem die örtlichen Familienberatungsstellen, die Familienbildungsstätten und die Familienverbände den Familienzentren zur Verfügung stellen sollen? Abgesehen davon kommen gerade einmal 310 Familienberatungsstellen und 151 Familienbildungsstätten auf die geplanten 3.000 Familienzentren bzw. auf alle 9.743 Kindertageseinrichtungen. Und überhaupt Familienverbände - da engagieren sich doch nur ein paar Eltern mit zumeist älteren Kindern: Sind die jetzt auf einmal als Berater/innen oder Familienbildner qualifiziert?
  • Wo sollen die Erzieher/innen die Zeit hernehmen für all die Absprachen mit den Kooperationspartnern und den Ehrenamtlichen? Für die Vermittlungstätigkeit, die Clearingfunktion und das Case-Management? Für die generationenübergreifenden Angebote und die Maßnahmen für "Familien mit Zuwanderungsgeschichte und aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Schichten"?
  • Wo sind die Räume, in denen offene Treffs, ad-hoc-Betreuungshilfen, Beratung, Familienbildung, prä- und postnatale Angebote stattfinden sollen?

Nun, solche Fragen werden Sie sich sicherlich selbst stellen und auch irgendwelche Antworten darauf erhalten. So fällt mir beispielsweise auf, dass bei den drei B - Betreuung, Bildung und Beratung - die Erziehung fehlt. Klar, wenn die Familienzentren die Eltern so fit machen, dass sie ihre Kinder perfekt erziehen, brauchen wir keine Erziehung in den Kindertageseinrichtungen mehr. Da werden doch Kapazitäten bei den Erzieher/innen frei! Und bei gut erzogenen Kindern sind sie auch nicht mehr so gestresst, können sie sich voll auf die neuen Anforderungen konzentrieren...

Spaß beiseite, solche Fragen sollen die Politiker/innen beantworten! Mich beschäftigt jetzt etwas ganz anderes: das hinter dieser Konzeption von Familienzentren stehende Familienbild. Das scheint mir ein reines Defizitmodell zu sein, denn es wird nur von einem "wachsenden Bedarf der Eltern und Familien an Beratung und Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgaben" geredet, von Fällen der Misshandlung oder Ermordung von Kindern, von Angeboten für "Familien mit Zuwanderungsgeschichte und aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Schichten" sowie von der Verbesserung der Möglichkeiten präventiven Handelns, um "für alle Familien frühzeitig Hilfe und Beratung" anzubieten.

Woher kommt diese Defizitorientierung der Politiker/innen? Sie werden immer nur mit Extremfällen konfrontiert und bekommen so ein negatives Familienbild. In Familien kann nicht hineingeschaut werden; das macht sie obskur, unheimlich und verdächtig. Auch lassen sich Familien politisch nicht steuern, verwalten und kontrollieren. Eltern "verärgern" die Wirtschaft, wenn sie Erziehungszeit nehmen und die Unternehmen nach Ersatz suchen und diesen kostspielig einarbeiten müssen. Da ist es besser, wenn man den Eltern "einredet", die Kinder würden in Krippen und Tagespflege besser gefördert als zu Hause. Zudem sind Hausfrauen "out"; nur vollerwerbstätige Frauen sind emanzipiert. Und diese ganze Gefühlsduselei wegen der Familie! Wir Politiker/innen machen doch der Öffentlichkeit deutlich, dass wir wunderbar ohne Familie leben können! Selbst wenn wir verheiratet sind und sieben Kinder haben, brauchen wir kaum zu Hause zu sein. Wozu haben wir denn Kindermädchen eingestellt? Da haben wir sogar noch Arbeitsplätze geschaffen!

Die Bedeutung der Familie als Bildungsinstanz

Ich vertrete ein anderes Familienbild: Für mich ist die Familie weiterhin die wichtigste Sozialisationsinstanz. Und für mich sind die meisten Eltern in der Erziehung und Bildung ihrer Kinder erfolgreich. Das schließt natürlich nicht aus, dass sie manchmal unsicher sind oder Fehler machen. Kinder brauchen keine perfekten Eltern; sie benötigen nur relativ gute. Und das dürften rund 80% aller Eltern sein - zumindest sind nur ca. 20% der Kinder in unseren Kindertagesstätten verhaltensauffällig, also durch irgendwelche, unter Umständen familialen Einflüsse geschädigt worden.

Schauen wir uns einmal die Erziehungsleistung der Eltern an, die sie bereits erbracht haben, bevor sie ihr Kind im Kindergarten anmelden! Sie haben ihm erfolgreich z.B. das Gehen und Laufen, das Sprechen und den Umgang mit anderen gelehrt. Kinder lernen extrem viel in ihrer Familie, vor allem Kompetenzen und Einstellungen, die für das ganze Leben wichtig sind. Dazu gehören Sprachfertigkeiten, Grob- und Feinmotorik, Lernmotivation, Neugier, Leistungsbereitschaft, Interessen, Werte, Selbstkontrolle, Selbstbewusstsein, soziale Fertigkeiten usw.

Die Bedeutung der Familie als bildende Instanz wird besonders deutlich, wenn wir sie mit der Schule vergleichen. Schon in den 1960er Jahren wurden in den Aufsehen erregenden Büchern "Equality of Educational Opportunity" von Coleman et al. (1966) und "Children and Their Primary Schools" von Plowden (1967) anhand von Untersuchungen aufgezeigt, dass der Anteil der Schule am Schulerfolg von Kindern nur etwa halb so groß wie der Anteil der Familie ist. Seitdem wurden Hunderte von empirischen Studien veröffentlicht, in denen ganz unterschiedliche Merkmale von Familien und Schulen in Bezug zur Schulleistung von Kindern erforscht wurden. Metaanalysen zeigten, dass bei den weitaus meisten Untersuchungen die Effektstärken der Lernbedingungen in der Familie größer waren als die Effektstärken von Schul-, Lehrer-, Unterrichts- und Methodenmerkmalen (Fraser et al. 1987).

Sonderbarerweise werden derzeit all diese Forschungsergebnisse ignoriert. Das gilt auch für die PISA-Studie. Obwohl sie die Bedeutung der Familie betonte, wurden diese Aussagen einfach nicht diskutiert. Rauschenbach, Leu und ihre Co-Autor/innen (2004) schreiben in einer Veröffentlichung des Bundesbildungsministeriums: "Nach den Ergebnissen der PISA-Studie erweist sich die Qualität des sozialen und kulturellen Kapitals, das Kindern in ihren Familien vermittelt wird, als die wichtigste Voraussetzung und wirksamste Grundlage für den schulischen Lernprozess. Die Wirkungen der informellen Kontexte der Herkunftsfamilie der Jugendlichen sowie deren Freundschaftsnetzwerke sind nach den Erkenntnissen der Studie wichtiger als die Wirkungen institutioneller Kontexte. Allerdings wird dieser Befund in der öffentlichen Diskussion um die PISA-Studie kaum wahrgenommen. Zu Recht weist der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen in seiner Stellungnahme zur PISA-Studie auf die Schullastigkeit der aktuellen Reformdiskussion hin (...). Angesichts der PISA-Ergebnisse über die grundlegende, Lern- und Bildungsprozesse unterstützende Funktion von Familie sei es notwendig, dass dem außerschulischen Lernen und Kompetenzerwerb ein höherer Stellenwert zukomme, als dies bei den 'PISA-Folgen-Diskussionen' bisher eingeräumt werde. Vorgeschlagen wird ein ganzheitliches Reformkonzept, das auch außerschulische Lernorte wie die Familie und die dort vermittelten Basiskompetenzen einschließt" (S. 313).

Die kindliche Entwicklung wird also in den ersten Lebensjahren auf intensive Weise durch die Familie geprägt - und das zumeist positiv. Wenn wir dies anerkennen und somit das Defizitmodell ablehnen, werden wir Eltern nicht vorrangig als Personen sehen, die überwacht, gebildet und beraten werden müssen. Wir werden nicht nur die 20% aller Kinder wahrnehmen, die Probleme haben. Denn das ist die große Gefahr bei der Familien- und Bildungspolitik, wie sie in Nordrhein-Westfalen praktiziert wird: Es wird leicht übersehen, dass auch für die anderen 80% etwas getan werden muss. Diese Kinder benötigen z.B. bessere Bildungsangebote; sie werden in anderen (Bundes-) Ländern schulisch mehr gefordert und motiviert, müssen sich dort mehr anstrengen und mehr Leistung erbringen.

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft

Vor allem aber muss intensiver mit den Eltern kooperiert werden. Sie müssen zunächst einmal als erziehungskompetente und bildungsmächtige Personen wahrgenommen und akzeptiert werden. Dann kann eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft aufgebaut werden, bei der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen mit den Eltern gleichberechtigt zum Wohl der ihnen anvertrauten Kinder zusammenarbeiten. Kombinieren sie ihre Stärken mit denen der Eltern, werden sie den größten Erfolg bei der Bildung und Erziehung der Kinder haben.

Hier kommt ein anderes Verständnis von Erziehungspartnerschaft zum Tragen, als vermutlich der Bildungsvereinbarung NRW zugrunde liegt. Der zweite und der letzte der drei lapidaren Sätze, die sich dort auf Elternarbeit beziehen, lauten: "Mit den Erziehungsberechtigten wird eine Erziehungspartnerschaft angestrebt. Dieses partnerschaftliche Zusammenspiel soll die elterliche Erziehungskompetenz stärken und stützen". Hier steht also nicht das Kind im Mittelpunkt des "partnerschaftlichen Zusammenspiels", sondern es sind die "defizitären" Eltern, deren Erziehungskompetenz gefördert werden muss (dazu passt auch, dass in dem neuen Schulgesetz von NRW vorgesehen ist, dass am Ende des 4. Schuljahres ausschließlich die Lehrer/innen über den eventuellen Besuch einer weiterführenden Schule durch das jeweilige Kind entscheiden sollen - den "inkompetenten" Eltern kann man eine solche weit reichende Entscheidung nicht anvertrauen...). Nimmt man noch die Aussage von Satz 1 hinzu - dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu berücksichtigen sei -, hat man leicht den Verdacht, dass die Eltern als vollerwerbstätige Personen gesehen werden, die sich in erster Linie um das Geldverdienen kümmern sollen. Eine ähnliche Aussage findet man übrigens auch auf der Website des MGFFI: "Familienzentren sollen die Erziehungskompetenz der Eltern stärken sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern und verbessern. Sie sollen frühe Beratung, Information und Hilfe in allen Lebensphasen ermöglichen..." (http://www.mgffi.nrw.de/kinder-und-jugend/kindergarten-familienzentren/familienzentrum.html).

Wie anders hört sich da der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan an, wo die entsprechenden Passagen weitgehend von mir verfasst wurden: "Bildung und Erziehung fangen in der Familie an. Die Familie ist der erste, umfassendste, am längsten und stärksten wirkende, einzig private Bildungsort von Kindern und in den ersten Lebensjahren der wichtigste. Sie steuert und beeinflusst alle Bildungsprozesse direkt durch das, was Kinder in der Familie lernen (z.B. Sprachfertigkeiten, Lernmotivation, Neugier, Leistungsbereitschaft, Interessen, Werte, Selbstkontrolle, Selbstbewusstsein, soziale Fertigkeiten) und indirekt dadurch, dass sie auf die Nutzung einer Kindertageseinrichtung, die Schulauswahl, die Schullaufbahn und den Bildungserfolg entscheidenden Einfluss hat. Wie Bildungseinrichtungen genutzt werden, wie Kinder darin zurechtkommen und von deren Bildungsleistungen profitieren, hängt maßgeblich von den Ressourcen der Familie und deren Stärkung ab. ... Kindertageseinrichtung und Eltern begegnen sich als gleichberechtigte Partner in gemeinsamer Verantwortung für das Kind. Eltern sind in ihrer Elternkompetenz wertzuschätzen, ernst zu nehmen und zu unterstützen. ... Anzustreben ist eine Erziehungspartnerschaft, bei der sich Familie und Kindertageseinrichtung füreinander öffnen, ihre Erziehungsvorstellungen austauschen und zum Wohl der ihnen anvertrauten Kinder kooperieren. Sie erkennen die Bedeutung der jeweils anderen Lebenswelt für das Kind an und teilen ihre gemeinsame Verantwortung für die Erziehung des Kindes. Bei einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Fachkräften und Eltern findet das Kind ideale Entwicklungsbedingungen vor: Es erlebt, dass Familie und Tageseinrichtung eine positive Einstellung zueinander haben und (viel) voneinander wissen, dass beide Seiten gleichermaßen an seinem Wohl interessiert sind, sich ergänzen und einander wechselseitig bereichern. Diese Erziehungspartnerschaft ist auszubauen zu einer Bildungspartnerschaft. Wie die Erziehung soll auch die Bildung zur gemeinsamen Aufgabe werden, die von beiden Seiten verantwortet wird. Wenn Eltern eingeladen werden, ihr Wissen, ihre Kompetenzen oder ihre Interessen in die Kindertageseinrichtung einzubringen, erweitert sich das Bildungsangebot. Wenn Eltern mit Kindern diskutieren, in Kleingruppen oder Einzelgesprächen, bringen sie andere Sichtweisen und Bildungsperspektiven ein. Wenn Eltern Lerninhalte zu Hause aufgreifen und vertiefen, wird sich dies auf die Entwicklung des Kindes positiv und nachhaltig auswirken" (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen/ Staatsinstitut für Frühpädagogik, München 2005, S. 437 f.).

Insbesondere das Konzept der Bildungspartnerschaft macht deutlich, dass die Familie als wichtige Bildungsstätte und die Eltern als kompetente "Bildner" wahrgenommen werden. Diese sind damit eine bedeutende Ressource für Erzieher/innen - und selbst vollerwerbstätige Eltern können entsprechend "genutzt" werden. So können sie beispielsweise gezielt in der Kindergruppe eingesetzt werden: Eltern können Geschichten und Märchen erzählen, mit Kindern ein Bilderbuch betrachten, mit ihnen ein Puzzle oder ein anderes Brettspiel machen, eine Kleingruppe - z.B. im Nebenraum - beaufsichtigen, an einem Rollenspiel mitwirken und dieses durch Vorschläge bereichern, der Fachkraft bei einem naturwissenschaftlichen Experiment assistieren, mit einigen Kindern Sport machen (z.B. Ballspiele) oder einen Kuchen backen - aber ihnen auch beim Umziehen, Klogehen, Tischdecken, Abräumen usw. helfen. Ferner können sie die Gruppe bei Spaziergängen und Exkursionen begleiten. Selbst vollerwerbstätige Eltern nehmen sich einen (halben) Tag frei, wenn sie auf diese Weise am Leben ihres Kindes in der Tagesstätte teilhaben können.

Auch die Projektarbeit bietet viele Möglichkeiten, Eltern gezielt einzusetzen. Beispielsweise können bei einem Projekt "Berufe" Eltern an ihrem Arbeitsplatz besucht werden oder diese ihr "Handwerkszeug" im Kindergarten vorstellen. Im Rahmen eines Projekts "Ferne Länder" können Eltern mit Migrationshintergrund über ihr Herkunftsland berichten, Fotos zeigen bzw. (Video-)Filme kommentieren und den Kindern einige Worte in ihrer Erstsprache beibringen. Bei einem Projekt "Erkundung unserer Gemeinde" können kunsthistorisch interessierte Eltern eine fachkundige Führung durch Kirchen, Schlösser oder Museen veranstalten, kann ein als Stadtrat gewählter Vater das Rathaus vorstellen oder eine als Journalistin tätige Mutter mit den Kindern Verkehrsprobleme erörtern. Im Rahmen eines Musikprojekts können Eltern den Kindern von ihnen beherrschte Musikinstrumente erklären und auf ihnen vorspielen. Schon diese wenigen Beispiele verdeutlichen die Unmenge der sich im Rahmen der Projektarbeit ergebenden Möglichkeiten einer Elternmitarbeit.

Haben Erzieher/innen in Erfahrung gebracht, dass einzelne Eltern über besondere Fähigkeiten verfügen (z.B. künstlerische oder musikalische Begabung, handwerkliches Geschick, Fremdsprachenkompetenz usw.), kann dies sogar zu einer Ergänzung des Bildungsangebots der Kindertageseinrichtung beitragen. So können sie beispielsweise geeignete Eltern bitten, mit (einer kleinen Gruppe von) Kindern ein Kunstprojekt durchzuführen, ein Musikstück mit Orff-Instrumenten einzuüben, ein Schatten- bzw. Puppenspiel einzustudieren oder im Werkraum einen Gegenstand aus Holz herzustellen. In Einzelfällen kann sich daraus sogar ein längerfristiges Engagement einzelner Eltern ergeben: Eine türkische, britische oder italienische Mutter gibt einen Sprachkurs für interessierte Kinder, ein in einem Schwimmverein aktiver Vater bietet einen Schwimmkurs an, eine Töpferin kommt mehrmals hintereinander in die Gruppe zum Tonen, und eine als Yogalehrerin tätige Mutter macht regelmäßig Yogaübungen mit den älteren Kindern.

Die Kinder profitieren in ihrer Entwicklung von der häufigen Anwesenheit von Eltern, weil sie neben den Erzieher/innen andere Erwachsene als Spiel- und Gesprächspartner, als Vorbild und Rollenmodell haben. Sie erfahren mehr Stimulation, Anleitung und Förderung. Durch die intensivere Interaktion mit Erwachsenen wird ihre sprachliche und kognitive Entwicklung beschleunigt. Ferner erwerben sie soziale Kompetenzen durch den Umgang mit zuvor oft unbekannten Erwachsenen.

Durch die Mitarbeit von Eltern werden die Erzieher/innen entlastet. So gewinnen sie Freiräume, die sie z.B. für die Beobachtung einzelner Kinder, die Vorbereitung von bildenden Aktivitäten oder Elterngespräche nutzen können. Auch wird die Arbeit in offenen Gruppen erleichtert, da mehr Aufsichtspersonen zur Verfügung stehen und mehr Angebote gemacht werden können. Schließlich können Eltern bei Abwesenheit von Mitarbeiter/innen (z.B. wegen Krankheit oder Fortbildung) als "Vertreter/innen" einspringen, da ihnen die Kinder vertraut sind und diese sie kennen.

Und diese Freiräume können Erzieher/innen auch nutzen, um ihre Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren auszubauen. Diese werden aber ganz anders aussehen als die "'Leitstellen' für soziale Gestaltungsprozesse im Stadtteil", in denen die vorhandenen Hilfsangebote gebündelt werden - wie es Minister Laschet vorschwebt. Vielmehr entständen Familienzentren, in denen Eltern als "Familienpädagog/innen" präsent sind, wo sie mit den Erzieher/innen und den anderen Eltern in einem fachlichen Gesprächs- und Erfahrungsaustausch stehen, an gemeinsamen Aktivitäten teilnehmen, in den Kindergruppen mitarbeiten und pädagogische Verantwortung übernehmen. Das schließt natürlich eine wechselseitige Unterstützung in Form von Familienselbsthilfe, die Vernetzung mit Familienbildungsstätten und Beratungsstellen oder besondere Angebote für sozial benachteiligte Familien und für Familien mit Migrationshintergrund nicht aus - genauso wenig wie eine intensive Förderung verhaltensauffälliger, entwicklungsverzögerter oder behinderter Kinder bzw. Sprachförderprogramme für zugewanderte Kinder. Aber bitte mit zusätzlichen Ressourcen bzw. durch Fachkräfte psychosozialer Dienste!

Schlusswort

In diesem Artikel habe ich meine Vision gegen die der NRW-Landesregierung gesetzt. Meine wichtigsten Aussagen möchte ich abschließend in vier Thesen zusammenfassen:

  1. Betreuung, Erziehung und Bildung sind die Hauptaufgaben von Kindertageseinrichtungen. In allen drei Aufgabenbereichen sind die Anforderungen an Erzieher/innen in den letzten Jahren gestiegen (z.B. Ausweitung und Flexibilisierung der Öffnungszeiten, mehr Kinder mit besonderen Bedürfnissen, mehr Bildungsangebote als Konsequenz der Diskussion über die PISA-Studien).
  2. Bildung und Erziehung lassen sich am erfolgreichsten in enger Zusammenarbeit mit den Eltern praktizieren. Es sollte deshalb nach einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Kindertageeinrichtung und Familie getrachtet werden, die sich vor allem in einem intensiven Gesprächsaustausch realisiert.
  3. Genauso wie sich Erzieher/innen auf die Stärken der ihnen anvertrauten Kinder konzentrieren, arbeiten sie auch mit den Stärken der Eltern!
  4. Kinder mit besonderen Bedürfnissen, mit Migrationshintergrund oder mit geringen Deutschkenntnissen und Eltern mit Erziehungsschwierigkeiten, Eheproblemen und anderen Belastungen kann in der Kindertageseinrichtung nur begrenzt geholfen werden. Stoßen Erzieher/innen an ihre Grenzen, sollten sie die Kinder und ihre Eltern an spezialisierte Dienste weitervermitteln.

Es ist Aufgabe der Kommunen und des jeweiligen Bundeslandes, das System psychosozialer Dienste bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.

Anmerkung

Dieser Artikel beruht auf dem Referat "Innovative Ansätze der Elternarbeit in Kindertageseinrichtungen", gehalten am 26.01.2006 auf der Tagung "Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen: Zusammenarbeit mit Eltern" der Stadt Herne, Fachbereich Gesundheit, in Herne.

Literatur

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen/ Staatsinstitut für Frühpädagogik, München: Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. Weinheim, 2. Aufl. 2005

Coleman, J.S. et al.: Equality of Educational Opportunity. Washington 1966

Fraser, B.J. et al.: Syntheses of Educational Productivity Research. International Journal of Educational Research 1987, 11, S. 147-251

Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration: Workshop Familienzentren 28.09.2005. Dokumentation wesentlicher Ergebnisse. http://www.mgffi.nrw.de/pdf/familie/familienzentren-workshop05.pdf (Link funktionierte Mitte 2018 nicht mehr)

Plowden, B. (Hrsg.): Children and Their Primary Schools. London 1967

Rauschenbach, T./Leu, H.R./Lingenauber, S./Mack, W./Schilling, M./Schneider, K./Züchner, I.: Non-formale und informelle Bildung im Kindes und Jugendalter. Konzeptionelle Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht. Berlin 2004

Textor, M.R.: Elternarbeit im Kindergarten. Ziele, Formen, Methoden. Norderstedt 2005