Elternarbeit in Kindertageseinrichtung und Schule

Martin R. Textor

 

Im Folgenden werden Ziele und Formen der Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen beschrieben. Ausführlich wird auf Elterngespräche, Hospitation, Elternmitarbeit sowie die Einbindung von Vätern und Familien mit Migrationshintergrund eingegangen. Abschließend werden Familienbildung, Vernetzung mit psychosozialen Diensten, Schulsozialarbeit und Elternmitbestimmung erörtert.

Einführung

Familie, Kindertageseinrichtung und Schule sind gemeinsam für das Wohl von Kindern verantwortlich. Durch Betreuung, Erziehung und Bildung prägen sie die Entwicklung von (Klein-) Kindern und Jugendlichen in entscheidendem Maße.

Für die Qualität der privaten und der öffentlichen Erziehung und Bildung ist von großer Bedeutung, dass Familie, Kindertageseinrichtung und Schule zusammenarbeiten und einander unterstützen. Generell gilt eine intensive Beziehung zwischen diesen Sozialisationsinstanzen als positiv für die Entwicklung von Kindern.

Dieses Verhältnis wird heute als "Bildungs- und Erziehungspartnerschaft" bezeichnet. Der Begriff "Partnerschaft" impliziert, dass Familie, Kindertageseinrichtung und Schule gleichberechtigt sind, ein "Bündnis" geschlossen haben, ähnliche Ziele verfolgen und miteinander kooperieren. Sie haben die Bedeutung der jeweils anderen Lebenswelt für das Kind erkannt und teilen die Verantwortung für die Förderung der kindlichen Entwicklung.

Das Kind findet bei einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft die besten Sozialisationsbedingungen vor: Es erlebt, dass Familie, Kindertageseinrichtung und Schule an seinem Wohl und aneinander interessiert sind, sich ergänzen und wechselseitig bereichern.

Ziele der Elternarbeit

Im Kontext der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft verfolgen Erzieher/innen und Lehrer/innen folgende Zieldimensionen bzw. Teilziele:

  1. Information und Austausch: Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen tauschen sich über Entwicklung und Verhalten des jeweiligen Kindes in Familie, Kindertageseinrichtung und Schule, über (besondere) Bedürfnisse desselben und über ihre Erziehungsziele und -stile aus. Dabei geht es auch um die wechselseitige Abstimmung erzieherischer und bildender Handlungen gegenüber dem Kind. Die Erzieher/innen informieren die Mütter und Väter über die pädagogische Arbeit in der Kindertageseinrichtung und die ihr zugrunde liegende Konzeption, die Lehrer/innen über ihren Unterricht und den Lehrplan. Die Eltern geben den Fach- bzw. Lehrkräften einen Einblick in die Lebenswelt "Familie" und das Verhalten ihres Kindes in Gleichaltrigengruppen.
  2. Stärkung der Erziehungs- und Bildungskompetenz: Die Erzieher/innen und Lehrer/innen machen deutlich, dass Eltern bei der Erziehung und Bildung von Kindern eine wichtige Rolle spielen - auch wenn sie arbeitslos, arm oder zugewandert sind. Sie informieren Mütter und Väter über die kindliche Entwicklung und Erziehung, über ein entwicklungsförderndes Verhalten und eine sinnvolle Hausaufgabenbetreuung sowie über altersgemäße Beschäftigungsmöglichkeiten, Spiele, Bücher, Bildungsangebote etc. Die Fach- bzw. Lehrkräfte weisen Familien mit Migrationshintergrund darauf hin, dass ihre Kinder von Anfang an bilingual aufwachsen, also so früh wie möglich die deutsche Sprache lernen sollten und dass die Eltern die bilinguale Sprachentwicklung durch entsprechende Medien unterstützen sollten. Aber auch durch das "Hineintragen" von in der Kindergruppe bzw. Klasse behandelten Themen in die Familie beeinflussen Erzieher/innen und Lehrer/innen die dort ablaufenden Bildungsprozesse.
  3. Beratung der Eltern und Vermittlung von Hilfsangeboten: Bei Erziehungsschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen, schlechten Deutschkenntnissen, Sprachstörungen und (drohenden) Behinderungen des Kindes tauschen sich Erzieher/innen, Lehrer/innen und Eltern über die Ursachen aus und suchen gemeinsam nach Lösungen. Sollten die Probleme nur in der Familie auftreten, sind die Fach- bzw. Lehrkräfte beratend tätig. Dies gilt auch - in begrenztem Rahmen - bei allgemeinen Familienbelastungen wie z.B. Trennung, Scheidung, Armut oder psychischer Erkrankung eines Elternteils. Bei Bedarf einer längeren Beratung, bei Notwendigkeit besonderer therapeutischer Maßnahmen für das Kind, bei Ehe- und Familienproblemen etc. stoßen die Erzieher/innen und Lehrer/innen jedoch sowohl vom Zeitaufwand als auch von ihrer Qualifikation her schnell an ihre Grenzen. Sie sollen dann die Eltern über einschlägige Fachdienste informieren und sie motivieren, deren Hilfs- und Beratungsangebote zu nutzen.
  4. Mitarbeit: Erzieher/innen und Lehrer/innen sollen Müttern und Vätern das aktive Miterleben des Alltags in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule ermöglichen. Auf diese Weise können Eltern am Modell der Fach- bzw. Lehrkraft lernen, wie man Kinder richtig erzieht und bildet. Interessierte Eltern können auch in die pädagogische Arbeit bzw. in den Unterricht eingebunden werden, also Bildungsangebote und Projekte durch ihren Input bereichern.
  5. Beteiligung, Mitverantwortung und Mitbestimmung: Erzieher/innen und Lehrer/innen sollen Müttern und Vätern die Möglichkeit geben, Erziehungs- und Bildungsziele auf der Gruppen- bzw. Klassenebene im Rahmen von Vorgaben wie Bildungs- und Lehrplan mitzuprägen. Ferner soll die Elternschaft auf der institutionellen Ebene an wesentlichen Angelegenheiten der Kindertageseinrichtung bzw. Schule beteiligt werden. Dazu können die Elternvertreter/innen motiviert werden, Elterninteressen auszuloten, sich als Sprachrohr der Eltern einzubringen und Vorschläge zur Verbesserungen des Leistungsangebots zu unterbreiten.
  6. Vernetzung von Familien, Kindertageseinrichtungen und Schulen: Erzieher/innen und Lehrer/innen sollen den Gesprächs- und Erfahrungsaustausch zwischen Eltern sowie Beziehungen und gemeinsame Aktivitäten von Familien fördern. Auf diese Weise wird die wechselseitige Unterstützung von Familien, die Hilfe zur Selbsthilfe, gefördert. Insbesondere sollen die Fach- und Lehrkräfte sozial benachteiligte Familien und Eltern mit Migrationshintergrund durch gezielte Ansprache und Angebote einbinden. Angezielt wird auch die Integration von familienrelevanten Angeboten anderer Institutionen in die Kindertageseinrichtung bzw. Schule, also z.B. von Familienbildungsstätten, Erziehungsberatungsstellen und Jugendämtern.

Nicht alle Ziele der Elternarbeit können auch nur annähernd erreicht oder gar zur Zufriedenheit aller erfüllt werden. Eine Schwerpunktsetzung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Eltern, Erzieherinnen und Lehrer/innen sowie der örtlichen Gegebenheiten ist anzustreben.

Formen der Elternarbeit

Den vorgenannten Zielen entsprechen viele verschiedene Formen der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft, wie folgende Tabelle verdeutlicht:

Kategorie Formen der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft
Angebote vor Aufnahme des Kindes

erster Kontakt zu Eltern
Anmeldegespräch
Vorbesuche in der Gruppe/Klasse
Einführungselternabend
Hausbesuche oder Telefonanrufe vor Beginn des Kindergarten- bzw. Schuljahres

Angebote unter Beteiligung von Eltern und Pädagog/innen

Elternabende
Elterngruppen (mit/ohne Kinderbetreuung)
themenspezifische Gesprächskreise
Treffpunkt für Alleinerziehende
Vätergruppe
Treffpunkt für Eltern mit Migrationshintergrund
Gartenarbeit
Kochen für Kinder
Spielplatzgestaltung
Renovieren/Reparieren
Elternbefragung

Angebote unter Beteiligung von Familien und Pädagog/innen

Feste und Feiern
Bazare, Märkte, Verkauf von Second-Hand-Kleidung
Freizeitangebote für Familien (z.B. Wanderungen, Ausflüge)
Bastelnachmittage
Spielnachmittage
Kurse (z.B. Töpfern)
Familiengottesdienste
Vater-Kind-Gruppe/-angebote
Familienfreizeiten

Eltern als Miterzieher

Mitwirkung von Eltern bei Aktivitäten, Beschäftigungen und Spielen
Projekte unter Einbeziehung der Eltern (z.B. Besuche am Arbeitsplatz, Vorführung besonderer Fertigkeiten)
Kurse für Kinder oder Teilgruppen (z.B. Sprachunterricht, Schwimmkurs, Töpferkurs)
Begleitung der Gruppe/Klasse bei Außenkontakten
Kita: Einbeziehung in die Entwicklung von Jahres- und Rahmenplänen, die Planung von Veranstaltungen und besonderen Aktivitäten, die Gestaltung von Spielecken usw.

Angebote nur für Eltern

Elternstammtisch
Elternsitzecke (auch im Garten)
Elterncafé
Treffpunktmöglichkeiten am Abend oder am Wochenende
Elterngruppe/-arbeitskreis (allgemein, themen-/ aktivitätenorientiert, Hobbygruppe)
Väter-/Müttergruppen
Angebote von Eltern für Eltern
Elternselbsthilfe (z.B. wechselseitige Kinderbetreuung)

Einzelkontakte

Tür- und Angelgespräche
Termingespräche
Telefonkontakte (regelmäßig oder nur bei Bedarf)
Mitgabe/Übersendung von Notizen über besondere Ereignisse
Bildungs- und Lerngeschichten
Portfolios
Tagebücher für jedes einzelne Kind
Beratungsgespräche (mit Mutter, Eltern, Familie; unter Einbeziehung von Dritten), Vermittlung von Hilfsangeboten
Hospitation
Hausbesuche

informative Angebote

Elternbriefe/-zeitschrift, Newsletter
schwarzes Brett
Ausleihmöglichkeit (Kinderbücher, Spiele, CDs, DVDs, Erziehungsratgeber)
Buch- und Spielausstellung
Beratungsführer für Eltern
Auslegen von Informationsbroschüren
Fotowand
Homepage
Kita: Tagesberichte
Kita: schriftliche Konzeption

Elternvertretung

Besprechung der Ziele und Methoden der pädagogischen Arbeit
Einbeziehung in die Planung, Vorbereitung und Gestaltung besonderer Aktivitäten und Veranstaltungen
Einbindung in Organisation und Verwaltungsaufgaben
Kita: gemeinsames Erstellen der Jahres- und Projektpläne
Kita: Einbeziehung in die Konzeptionsentwicklung

kommunalpolitisches Engagement

Eltern als Fürsprecher der Kita/Schule
Eltern als Interessensvertreter für Kinder
Zusammenarbeit mit Elternvereinigungen, Initiativgruppen, Verbänden und Einrichtungen der Familienselbsthilfe

Natürlich kann eine Kindertageseinrichtung bzw. Schule nur einige dieser Formen der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft anbieten. Bei deren Auswahl sollte sie den Bedürfnissen, Erwartungen und Interessen der Familien vor Ort entsprechen. Das bedeutet, dass Erzieher/innen und Lehrer/innen zunächst im Rahmen einer Situations- und Bedarfsanalyse die Lebenslagen der Mütter, Väter und Kinder erfassen und deren Wünsche ermitteln sollten. Erwartungen an die Elternarbeit können im Gespräch und bei Elternveranstaltungen erfasst werden, aber auch per Fragebogen. Letzteres ist eine sehr effektive und effiziente Methode, insbesondere wenn die Antworten vorformuliert sind und nur noch angekreuzt werden müssen. Wurden die Wünsche der Eltern erfasst, ist bei der Auswahl von Formen zu beachten, dass möglichst alle Mütter und Väter erreicht werden sollten - sowohl solche, die sich z.B. mehr für Fachthemen interessieren, als auch solche, die lieber etwas Praktisches machen, sowohl solche, die eher vor- bzw. nachmittags Zeit haben, als auch solche, die nur am Abend oder am Wochenende kommen können (etc.).

In der Regel müssen also recht unterschiedliche Formen der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft angeboten werden, um den Bedürfnissen, Erwartungen und Wünschen der Mütter und Väter zu entsprechen. Dabei sollte aber immer auch das auf Seiten der Eltern und auf Seiten der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen zur Verfügung stehende Zeitbudget berücksichtigt werden. Durch eine Jahresplanung kann sichergestellt werden, dass sich Angebote nicht zu bestimmten Zeiten im Jahresverlauf ballen.

Wenn sich eine Kindertageseinrichtung oder Schule für ein bestimmtes Angebot für Eltern entschieden hat, ist es oftmals sinnvoll, Qualitätsstandards für die ausgewählten Formen der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zu entwickeln - und diese dann auch in der praktischen Arbeit zu berücksichtigen. Besonders wichtig ist, dass immer wieder überprüft wird (z.B. durch Elternbefragungen), ob die Kindertageseinrichtung bzw. Schule wirklich die Bedürfnisse und Erwartungen der Eltern erfüllt und den Qualitätsansprüchen entspricht.

Elterngespräche

Auf dieser Seite wird zunächst die Bedeutung von Tür- und Angel-Gesprächen für die Entstehung einer Vertrauensbasis zwischen Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen betont. Dann wird auf allgemeine Elterngespräche eingegangen, in denen die Entwicklung bzw. Schulleistungen von Kindern im Mittelpunkt stehen. Schließlich werden Problemgespräche thematisiert, bei denen Verhaltensauffälligkeiten, Erziehungsschwierigkeiten, Lernstörungen oder Familienbelastungen erörtert werden.

Tür- und Angel-Gespräche

Eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft setzt voraus, dass Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen einander gut kennen und viel miteinander kommunizieren. Diese Vorbedingung ist eher in Kindertageseinrichtungen gegeben: Wenn Mütter und Väter jeden Tag zum Gruppenraum kommen, um ihr Kind zu bringen bzw. abzuholen, ergeben sich automatisch Kontakte zu den Erzieher/innen. Hier wird die große Bedeutung der Tür- und Angel-Gespräche augenscheinlich: Sie sind die Basis der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Hinzu kommt, dass es in Kindertagesstätten - im Gegensatz zu Schulen - zahlreiche Gruppenangebote für Eltern und viele gemeinsam gefeierte Feste gibt, die ein wechselseitiges Kennenlernen erleichtern. Dies gilt vermehrt für Einrichtungen, in denen Eltern während der Eingewöhnung ihres Kindes präsent sind oder jederzeit hospitieren können.

In der Schule sind solche Voraussetzungen für das Entstehen von Beziehungen zwischen Lehrer/innen und Eltern nicht gegeben. Zumeist werden nur ein Elternabend und eine kurze Elternsprechstunde pro Schul(halb)jahr angeboten, bei denen Schulisches bzw. die Leistungen des jeweiligen Kindes im Mittelpunkt stehen. Die bestehenden Freiräume sollten deshalb genutzt werden, um Veranstaltungen anzubieten, die ein eher informelles Kennenlernen von Lehrer/innen und Eltern ermöglichen. Mit relativ wenig Aufwand könnten z.B. folgende Angebote gemacht werden:

  1. Zu Wandertagen, eintägigen Ausflügen und Exkursionen könnten auch Mütter und Väter eingeladen werden. Beim Wandern, bei der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten oder Ausstellungen, beim Picknick oder beim Essen in einer Gaststätte würden sich viele Gelegenheiten für kurze Gespräche zwischen Lehrer/innen und Eltern ergeben.
  2. Die in vielen Bundesländern gegebenen Möglichkeiten zur Hospitation oder zur Mitwirkung von Eltern im Unterricht sollten von den Lehrer/innen auch genutzt werden. Vor allem die Projektarbeit bietet viele Möglichkeiten zur Einbindung von Müttern und Vätern.
  3. Verschönerungsaktionen: Wenn Klassenzimmer heruntergekommen wirken und der Schulträger keine Mittel für die Renovierung durch Fachleute aufbringen kann, könnten Klassenlehrer/innen und Eltern den Raum streichen. Andernorts könnte z.B. der Pausenhof schöner gestaltet oder ein Schulgarten angelegt bzw. gepflegt werden.
  4. Klassen- bzw. Fachlehrer/innen könnten mit den Schülern ein Fest, ein Konzert, eine Ausstellung mit selbst gemalten Bildern, einen Liedernachmittag, einer Theateraufführung oder eine ähnliche Veranstaltung vorbereiten und dazu die Eltern einladen. Dabei sollte auch Zeit für informelle Gespräche - z.B. bei einem Stehkaffee - eingeplant werden.
  5. Grundschullehrer/innen könnten es Eltern erlauben, ihre Kinder beim Bringen oder Abholen bis zu deren Schulklasse zu begleiten. Wenn sie 15 Minuten früher zum Unterricht kommen bzw. eine Viertelstunde länger bleiben, würden sich wie an Kindertageseinrichtungen viele Tür- und Angel-Gespräche ergeben.

Auf diese Weise könnten Lehrer/innen die Eltern ihrer Schüler besser kennen lernen und so den Grundstein für eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft legen - und das mit einem relativ geringen Aufwand.

Termingespräche

Das Kernstück der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft an Kindertageseinrichtungen und Schulen ist das individuelle Elterngespräch, das möglichst zweimal im Jahr stattfinden und mindestens eine halbe Stunde - besser eine volle Stunde - dauern sollte. Nur hier können sich Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und Eltern ausführlich über die Entwicklung, Erziehung und Bildung des jeweiligen Kindes austauschen. Mütter und Väter wollen wissen, wie sich ihr Kind in der Gruppe bzw. der Klasse verhält, ob es gut lernt, ob es Freunde hat, ob es glücklich ist und wie seine Gesamtentwicklung beurteilt wird. Erzieher/innen und Lehrer/innen können nur davon profitieren, wenn sie beim Erstgespräch von den Eltern erfahren, wie sich das jeweilige Kind bisher entwickelt hat, über welche Stärken es verfügt und wo Schwächen auszugleichen sind. Und bei späteren Gesprächen wollen sie wissen, wie sich das Kind in seiner Familie und in seiner Peergroup entwickelt, wie es seine Freizeit verbringt und ob es irgendwelche Ereignisse in der Familie gab, die das Kind belasten (z.B. einen Todesfall, die Trennung der Eltern oder die Geburt eines Geschwisterteils).

Termingespräche setzen voraus, dass die Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen zuvor das Kind genau beobachtet haben und somit fundiert über seine motorische, soziale, kognitive, emotionale und Sprachentwicklung Auskunft geben können. Zu Beginn des Elterngesprächs sollte zunächst ein Überblick über die Gesamtentwicklung gegeben werden. Im weiteren Verlauf ist zu beachten, dass alle Entwicklungsbereiche angesprochen werden. Immer wieder sollten Mütter und Väter die Möglichkeit haben, nachzufragen, eigene Beobachtungen zu schildern oder Aussagen zu kommentieren. Unterschiedliche Beobachtungen, die sich nicht auf ein Problemverhalten beziehen, müssen nicht ausdiskutiert werden. Zumeist reicht der Hinweis, dass sich viele Kinder zu Hause anders als in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule verhalten.

Gute Elterngespräche gehen aber noch über den Austausch von Informationen über das Kind hinaus: Mütter und Väter möchten nämlich auch wissen, welche Erziehungs- und Bildungsziele Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen haben, nach welchen Vorgaben sie handeln (z.B. Bildungsplan des Bundeslandes bzw. Konzeption der Kindertagesstätte oder Lehrplan für die jeweilige Klassenstufe), wie der Tag in der Einrichtung bzw. wie der Unterricht gestaltet wird, nach welchen Kriterien die Kinder beurteilt werden u.v.a.m. Für Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen ist es sinnvoll zu wissen, welche Erziehungsziele Eltern haben, wie sie diese umsetzen (Erziehungsstil), inwieweit sie eine für die Bildung des Kindes förderliche Atmosphäre in der Familie geschaffen haben und ob sie besondere Wünsche hinsichtlich der Erziehung ihres Kindes in Kindertageseinrichtung bzw. Schule haben, die z.B. auf religiösen oder kulturellen Traditionen beruhen.

Eine echte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft entsteht aber erst dann, wenn bei Elterngesprächen auch darüber diskutiert wird, wie Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und Eltern gemeinsam die kindliche Entwicklung fördern können. Beispielsweise können beide Seiten vereinbaren, wie sie besondere Begabungen des jeweiligen Kindes entfalten wollen, auf welche Weise sie Schwächen kompensieren können oder wie sie das Kind bei der Entwicklung eines positiven Selbstbildes, von Selbstvertrauen oder interpersonalen Kompetenzen unterstützen möchten. Auch können Lehrer/innen mit den Eltern abklären, wie Hausaufgaben so betreut werden und Prüfungen so vorbereitet werden können, dass der größtmögliche Nutzen für das Kind entsteht.

Finden Termingespräche häufig statt und beziehen sie alle Familien ein, dann verlieren Eltern sehr schnell die Angst vor ihnen. Sie erleben die Gespräche als "normal", insbesondere wenn die Stärken ihrer Kinder im Vordergrund stehen, und nicht irgendwelche Entwicklungsverzögerungen, Lernschwierigkeiten oder auffälligen Verhaltensweisen. Bei schwer erreichbaren Eltern (z.B. von "Buskindern") können Telefonate eine sinnvolle Alternative sein.

Problemgespräche

Bei Elterngesprächen, bei denen es um Verhaltensauffälligkeiten, Fehlentwicklungen, schlechte Schulleistungen oder die Gefahr des Sitzenbleibens geht, bewährt es sich, wenn bereits eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft besteht. Dann kennen sich die Erzieher/innen, Lehrer/innen und Eltern schon relativ gut, haben eine Vertrauensbasis aufgebaut und wissen, dass die jeweils andere Seite am Wohl des betroffenen Kindes und an einer Zusammenarbeit interessiert ist. So sind die Ängste vor einem "Problemgespräch" geringer ausgeprägt.

Aber auch bei einer guten Beziehung zu den Eltern ist es für viele Erzieher/innen und Lehrer/innen belastend, sie über die Auffälligkeiten, Entwicklungsrückstände, Lernschwierigkeiten oder (drohenden) Behinderungen ihres Kindes zu informieren. Hinzu kommt, dass sie in früheren Situationen oft erlebt haben, dass Mütter und Väter aggressiv reagiert, die Fach- bzw. Lehrkraft für die Probleme des Kindes verantwortlich gemacht und sie kritisiert haben. Solche Reaktionen sollten aber als Teil eines Verarbeitungsprozesses auf Seiten der Eltern gesehen und nicht überbewertet werden. Auch lassen sie sich zumeist vermeiden, wenn Erzieher/innen und Lehrer/innen

  1. möglichst früh den Kontakt zu den Eltern suchen - solange die Probleme noch "klein" sind,
  2. zunächst die eigene Gefühlslage klären und sich von negativen Emotionen gegenüber dem Kind und seiner Familie distanzieren,
  3. das Gespräch an einem ruhigen Ort, möglichst in einer Sitzecke, führen, sich genügend Zeit nehmen und für eine entspannte Atmosphäre sorgen,
  4. zu Beginn eines solchen Gesprächs positive Seiten des Kindes schildern sowie Wertschätzung und Zuneigung für das Kind ausdrücken,
  5. die erzieherischen Leistungen der Eltern würdigen und immer wieder betonen, dass Familie, Kindertageseinrichtung und Schule nur das Beste für das jeweilige Kind wollen,
  6. ihre eigenen Beobachtungen und ihre eigene Betroffenheit in der Ich-Form vortragen ("Ich erlebe Ihr Kind in der und der Situation so und so. Dann habe ich die und die Schwierigkeiten mit ihm und reagiere so oder so"), sodass sich die Mütter und Väter nicht angegriffen fühlen,
  7. die Eltern zur Mitteilung eigener Beobachtungen motivieren ("Kennen Sie dieses Verhalten aus Ihrer Familie oder aus anderen Situationen?") und sie um mögliche Erklärungen bitten ("Was könnten die Ursachen für solche Auffälligkeiten sein?"),
  8. akzeptieren, dass Mütter und Väter eventuell die Situation anders sehen bzw. erleben, da jeder Mensch in einer subjektiven Welt lebt, die von seinen individuellen Wahrnehmungen, Erfahrungen und Bedürfnissen geprägt ist, und da sich das Kind im System "Familie" durchaus ganz anders verhalten mag als in den Systemen "Kindertageseinrichtung" und "Schule",
  9. den Eltern aktiv zuhören, also auf ihre Gedanken und Emotionen eingehen, diese zurückreflektieren und akzeptieren, sodass sich die Eltern geschätzt und verstanden fühlen, sich nicht verteidigen müssen, weniger Schuldgefühle entwickeln und sich dann leichter mit den Problemen ihres Kindes befassen können,
  10. als Person reagieren, also sich selbst offenbaren und die eigene Position in klaren Aussagen zum Ausdruck bringen (Echtheit),
  11. bisherige Versuche in Kindertageseinrichtung, Schule und Familie, auf die Auffälligkeiten des Kindes positiv einzuwirken, offen erörtern und die Bemühungen der Eltern würdigen,
  12. den Müttern und Vätern mit Wertschätzung und Respekt begegnen und immer davon ausgehen, dass sie es gut mit ihrem Kind meinen und es richtig erziehen wollen,
  13. die Eigenständigkeit, die Rechte und die Erziehungsverantwortung der Eltern achten, aber zugleich auch Gemeinsamkeiten betonen ("Wir wollen beide das Beste für Ihr Kind!", "Was können wir gemeinsam machen?"),
  14. immer sachlich, freundlich, geduldig und hilfsbereit bleiben (auch wenn Mütter oder Väter wütend oder verärgert reagieren), sich also professionell verhalten,
  15. Vertraulichkeit gewährleisten, sodass die Eltern wissen, dass Persönliches nicht ausgeplaudert wird.

Wird dementsprechend reagiert, ist schnell eine kooperative Beziehung hergestellt - insbesondere wenn auch die Mütter und Väter Probleme mit ihrem Kind haben: Gemeinsam wollen dann Erzieher/innen, Lehrer/innen und Eltern das Verhalten des jeweiligen Kindes verändern. Dabei können sie entsprechend der Stufen des so genannten "Problemlösungsprozesses" vorgehen:

  1. Problemdefinition: genaue Beschreibung der Verhaltensauffälligkeit oder der Erziehungsschwierigkeit; Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen müssen diese Definition akzeptieren.
  2. Suche nach den Ursachen des Problems: Bestimmung vorausgehender und nachfolgender Ereignisse und Verhaltensweisen, von Auslösern und Verstärkern; Suche nach problematischen Strukturen und Erziehungsfehlern in Kindertageseinrichtung, Schule und Familie.
  3. Zielbestimmung: Festlegung realistischer Ziele für den Problemlösungsprozess.
  4. Suche nach allen denkbaren Lösungsmöglichkeiten: Brainstorming; anschließend Beurteilung der Vor- und Nachteile sowie möglicher Umsetzungsschwierigkeiten.
  5. Auswahl der voraussichtlich besten Alternative: danach Planung der Umsetzung sowie Ermittlung benötigter Ressourcen und möglicher Widerstände.
  6. Umsetzung der Alternative in Familie und/oder Kindertageseinrichtung bzw. Schule; dabei gegenseitige Unterstützung und Hilfestellung.
  7. Erfolgskontrolle: Überprüfung der Effektivität des Problemlösungsversuches.

Insbesondere wenn sich bei der Ursachenanalyse (Schritt 2) herausstellt, dass sich vor allem die Eltern ändern müssen, sollten sich Erzieher/innen und Lehrer/innen zurückhalten und ihre Gesprächspartner selbst nach Lösungsmöglichkeiten suchen lassen. So zeigen sie, dass sie den Eltern zutrauen, dass sie ihre Probleme selber lösen und ihr Verhalten selbst ändern können. Diese übernehmen dann in der Regel mehr Verantwortung und bemühen sich stärker um einen Erfolg.

Da das Kind sich selbst erzieht und sich selbst bildet, also der wichtigste "Ko-Konstrukteur" seiner eigenen Entwicklung ist, sollten bzw. können ältere Kleinkinder und Schüler/innen auch in Elterngespräche einbezogen werden. Jüngere Kinder können z.B. ihr Portfolio vorstellen oder Fragen der Erwachsenen nach ihrem Befinden, ihrer sozialen Integration, ihren Interessen, ihren Lebenszielen usw. beantworten. Schüler/innen können auch an der Suche nach den Ursachen ihrer Verhaltensauffälligkeiten oder Lernschwierigkeiten beteiligt und in die Bewältigungsversuche eingebunden werden. An manchen Schulen erarbeiten Lehrer/innen, Eltern und "Problemschüler/innen" gemeinsam einen Vertrag, in dem sich jede Seite auf bestimmte Verhaltensweisen festlegt und in dem oft Belohnungen ausgewiesen werden, welche die Kinder bei genau definierten Reaktionen erwerben. Diese Verträge werden von allen drei Seiten unterschrieben. Selbstverständlich nehmen Kinder nur so lange an Elterngesprächen teil, wie dies für sinnvoll erachtet wird - in Kindertageseinrichtungen mögen dies nur einige wenige Minuten sein.

Erschließung externer Hilfen

Eventuell sind zwei, drei Beratungsgespräche nötig, um Probleme bei der Umsetzung der Lösungsstrategie zu diskutieren, eine andere, erfolgversprechendere Alternative auszusuchen oder neu aufgetretene Schwierigkeiten zu klären. Die Erzieher/innen und Lehrer/innen sollten aber nicht versuchen, professionelle Berater/innen oder gar Therapeut/innen zu ersetzen. So verfügen sie nicht über die nötigen Spezialkenntnisse in Psychologie und Heilpädagogik; sind sie nicht in den Techniken der Gesprächsführung, im Einsatz von Tests und therapeutischen Methoden ausgebildet worden. Zudem ist es ihnen alleine schon mangels Zeit nicht möglich, Eltern intensiver zu beraten.

Sind also die Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen oder Behinderungen zu stark ausgeprägt, lassen Rahmenbedingungen wie die Gruppen- bzw. Klassengröße oder die Zahl von Kindern mit besonderen Bedürfnissen eine intensive Förderung der betroffenen Kinder nicht zu, können keine Verbesserungen im Verhalten der Kinder erreicht werden, liegen die Ursachen vor allem in der Familie und können von den Fach- bzw. Lehrkräften nur unzureichend beeinflusst werden, haben Mütter und Väter große Probleme oder mangelt es ihnen an erzieherischen Kompetenzen (usw.) - dann müssen den Kindern und ihren Eltern Hilfsangebote psychosozialer Dienste erschlossen werden, also z.B. von Erziehungs-, Ehe- und Familienberatungsstellen, Schulpsychologischen Diensten, Psychotherapeut/innen, Frühförderstellen, Ausländer-, Gesundheits-, Wohnungs-, Sozial- und Jugendämtern, Ärzt/innen, Logopäd/innen, Ergotherapeut/innen, ambulanten heil- bzw. sonderpädagogischen Diensten, schulvorbereitenden Einrichtungen, Förderschulen, heilpädagogischen Tagesstätten, Schwangereren-, Schuldner- und Sozialberatungsstellen, sozialpflegerischen Diensten und Selbsthilfegruppen. Allerdings können Erzieher/innen und Lehrer/innen nur Empfehlungen aussprechen - ob Mütter und Väter entsprechend handeln, ist von diesen zu entscheiden.

Akzeptieren Eltern, dass ihr Kind oder sie selbst Hilfe durch psychosoziale Dienste benötigen, schildern die Fach- bzw. Lehrkräfte in Frage kommende Angebote allgemein hinsichtlich der Aufgaben, Arbeitsschwerpunkte und Verfahren - analog der Informationen, die in Faltblättern, Broschüren oder Jahresberichten enthalten sind oder die bei früheren Kontakten erlangt wurden. Auch können persönlich bekannte Ansprechpartner benannt und Fragen der Eltern hinsichtlich der Vorgehensweise (telefonische Kontaktaufnahme, Terminvereinbarung, Erstgespräch, Anamnese usw.) beantwortet werden. Die Besprechung sollte möglichst mit einer konkreten Entscheidung der Eltern enden. Verweigern sie die Konsultation eines psychosozialen Dienstes, werden ihnen die Konsequenzen verdeutlicht - z.B. Verfestigung der Verhaltensauffälligkeiten, Zurückstellung bei der Einschulung und eventuell Besuch einer Sondereinrichtung oder Förderschule. Ansonsten wird mit den Eltern vereinbart, dass sie die Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen informieren, was seitens des psychosozialen Dienstes herausgefunden und unternommen wird. Die Fach- bzw. Lehrkräfte können sich auch eine (schriftliche) Einwilligungserklärung geben lassen, die es ihnen ermöglicht, mit den Mitarbeiter/innen des Fachdienstes über den jeweiligen Fall zu sprechen. So können Beobachtungen und Gedanken ausgetauscht werden, können sich Erzieher/innen und Lehrer/innen über Diagnose, Behandlungsverlauf und Beratungsinhalte informieren lassen.

Bildungspartnerschaft

Erzieher/innen, Lehrer/innen und Eltern können einander auch bei der Bildung von Kindern unterstützen. Auf dieser Seite wird beschrieben, wie Mütter und Väter auf dem Wege der Hospitation einen Eindruck vom Geschehen in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule bekommen, wie sie dort mitarbeiten bzw. bildend tätig werden und wie Fach- bzw. Lehrkräfte Bildungsprozesse in der Familie beeinflussen können.

Hospitation

In vielen Kindertagesstätten können Mütter und Väter während der Eingewöhnungsphase ihres Kindes hospitieren - in manchen Einrichtungen ist dies auch jederzeit im Verlauf des Jahres möglich (mit/ohne Anmeldung). Die Eltern gewinnen bei der Hospitation einen Eindruck von der pädagogischen Tätigkeit der Fachkräfte. Indem sie beobachten, wie anspruchsvoll und schwierig die Arbeit mit einer großen Kindergruppe ist, entwickeln sie ein neues Verständnis für die Rolle der Erzieher/innen und begegnen ihnen mit mehr Respekt. Auch erleben sie ihr Kind in der Gruppe, erkennen ganz neue Seiten an ihm und können es mit gleichaltrigen Kindern hinsichtlich seines Entwicklungstandes vergleichen.

Während der Hospitation machen Mütter und Väter viele Lernerfahrungen: Aus der Beobachtung des Umgangs der Erzieher/innen mit Kindern - also an deren Vorbild - lernen sie beispielsweise, wie man mit Kindern altersgemäß kommuniziert, wie man Spiel- und Bastelmaterialien sinnvoll verwendet, wie man Regeln setzt und deren Einhaltung überwacht und wie man mit Aggressivität, Hyperaktivität oder anderen Verhaltensproblemen umgeht. Die Eltern lernen neue Spiele und gute Kinderbücher kennen, erhalten Tipps für die Beschäftigung von Kleinkindern und übernehmen neue Erziehungsmethoden. Viele dieser Lernerfahrungen übertragen sie auf das Familienleben und die Familienerziehung - es erfolgte also indirekt eine intensive Elternbildung.

Von der Anwesenheit in der Kindertageseinrichtung profitieren nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder. Sie haben neben den Erzieher/innen andere Erwachsene als Spiel- und Gesprächspartner, als Vorbild und Rollenmodell. Auch erfahren sie mehr Stimulation, Anleitung und Förderung. Durch die intensivere Interaktion mit Erwachsenen wird ihre sprachliche und kognitive Entwicklung beschleunigt. Ferner erwerben sie soziale Kompetenzen durch den Umgang mit zuvor oft unbekannten Erwachsenen.

In manchen Bundesländern ist auch in der Schule die Hospitation von Eltern möglich. Dies ist aber den wenigsten Müttern und Vätern bekannt, sodass diese Form der Elternarbeit nur außerordentlich selten genutzt wird. Das bedeutet, dass die in ihr liegenden Chancen - das praktische Kennenlernen des Unterrichts, die Orientierung am Modell der Lehrer/innen, die implizite Elternbildung, neue Lernerfahrungen der Kinder - nicht zum Tragen kommen.

Elternmitarbeit

Bildungspartnerschaft geht aber noch über Hospitationen hinaus - sie impliziert m.E. die Mitarbeit von Eltern in Kindertageseinrichtung und Schule. Mütter und Väter können von den Lehrer/innen als außerschulische Expert/innen in den ganz normalen Schulalltag eingebunden werden. So trifft man z.B. in vielen amerikanischen Schulen auf Eltern, die kleine Gruppen von Kindern am Computer anleiten, mit ihnen in einer Fremdsprache sprechen oder bestimmte Aktivitäten überwachen. Diese Möglichkeiten könnten auch an deutschen Schulen geschaffen werden.

In Kindertageseinrichtungen können Eltern bei "ganz normalen" Aktivitäten bewusst eingebunden werden. In der folgenden Tabelle finden sich einige Beispiele, die hier nur stellvertretend für eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten stehen. 

Möglichkeiten der Beteiligung von Eltern
Malen

in der Malecke Kindern assistieren
benötigte, von den Kindern aber nicht erreichbare Utensilien holen
mit Kindern über ihre Kunstwerke sprechen
den Namen der Kinder unter die Bilder schreiben

Basteln/Werken

Helfen beim Umgang mit Scheren und Klebstoff
mit Kindern Perlen aufreihen, Papier falten usw.
Unterstützen von Kindern im Umgang mit Werkzeug
Aufpassen, dass Kinder sich nicht verletzen
Herstellen von Requisiten für das Puppentheater

Musik

Singen/Einüben von Liedern
interessierten Kindern ein Musikinstrument vorstellen
mit Kindern tanzen
zu Hause Kassetten/CDs/DVDs mit Musik bespielen

Spiele

mit Kindern Bauwerke erstellen; aufpassen, dass nicht die Bauten anderer Kinder umgestoßen werden
Beteiligung an Tischspielen, falls von den Kindern gewünscht
zu Hause Puppen oder Spielsachen herstellen

Rollenspiel

Beteiligung an Rollenspielen
neue Rollen und Themen einführen
mit Kindern den Rollenspielbereich auf ein bestimmtes Thema bezogen ausstatten
zu Hause Kleidung für den Rollenspielbereich nähen

Medienerziehung

Kindern ein Bilderbuch vorstellen
mit Kindern über ihre Lieblingsbücher sprechen
Märchen und Geschichten erzählen/vorlesen
Kindern am Computer assistieren
zu Hause Kassetten/CDs/DVDs mit selbst vorgelesenen Geschichten bespielen

Naturwissenschaften

mit einigen Kindern experimentieren oder bei Experimenten assistieren
Kinder auf Naturphänomene aufmerksam machen, mit ihnen über Tiere, Insekten und Pflanzen sprechen
Kinder vor Störungen durch andere schützen, wenn sie sich z.B. alleine mit Montessori-Material beschäftigen

Mathematik

Anleiten von Kindern beim Zählen, Sortieren und Vergleichen von Objekten
Eigenschaften wie größer - kleiner, schwerer - leichter miteinander in Beziehung setzen

Sprache

mit einzelnen Kindern/Kleingruppen längere Gespräche führen
neue Begriffe einbringen
mit Kindern über die Bedeutung von Wörtern sprechen
Kindern eine Fremdsprache vorstellen
Fingerspiele, Gedichte oder Reime einführen

Freispiel (draußen)

den Kindern beim Anziehen von Mänteln, Schuhen usw. helfen
mit Kindern Fangen oder Verstecken spielen, ihnen einen Ball zuwerfen usw.
mit Kindern im Sandkasten spielen

Mahlzeiten

den Kindern beim Decken und Abdecken des Tisches helfen
mit Kindern kochen (auch ausländische Gerichte) und backen
Herrichten eines gesunden Frühstücksbuffets (regelmäßig/einige Male pro Monat)

usw.

usw.

Mütter und Väter können aber noch mehr aktiviert werden, indem sie bei Projekten eingebunden werden. Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen können interessierte Eltern bereits in deren Planung einbeziehen: Diese können Ideen beisteuern, organisatorische Aufgaben erledigen, eine besondere Aktivität mit Kindern übernehmen oder auch als Begleitpersonen bei Exkursionen mitkommen. Projekte unter Beteiligung der Eltern können z.B. die Erkundung der Gemeinde, das Leben in der Vergangenheit, Besuche in Museen, Theatern, Redaktionen oder Druckereien u.Ä. umfassen. Durch sie kann den Kindern leichter die Erwachsenenwelt und ihr Wohnort erschlossen werden.

Eine Mitwirkung von Eltern ist auch in anderen Bereichen als der pädagogischen Arbeit möglich: Viele Erzieher/innen haben gute Erfahrungen mit der tatkräftigen Hilfe von Müttern und Vätern bei Festen und Feiern, bei der Umgestaltung des Außengeländes des Kindergartens (z.B. Anlegen von Taststraßen, Kräuterschnecken, Hügeln, Weidenhäusern usw.), dem Renovieren von Räumen und dem Vergrößern der Spielfläche durch Holzeinbauten gemacht. Auch für Verschönerungsaktionen wie z.B. die Gestaltung eines Mosaiks im Eingangsbereich der Kindertageseinrichtung oder für Reparaturarbeiten (bei kaputten Spielsachen/-geräten) sind Eltern leicht zu gewinnen. Gelegentlich übernehmen Eltern sogar Verwaltungsaufgaben (z.B. Buchhaltung), die Erstellung und Pflege der Homepage der Kindertagesstätte oder die Redaktion und das Layout der Kindergartenzeitung.

Weitere Formen der Bildungspartnerschaft an Schulen

Andere Formen der Zusammenarbeit mit Eltern, die in den letzten Jahren an vielen Schulen erprobt wurden, sind beispielsweise:

  1. freiwillige Arbeitsgemeinschaften bzw. Neigungsgruppen, in denen Schüler/innen von der beruflichen Kompetenz oder den Hobbys von Eltern profitieren.
  2. Sprachkurse, die von Eltern mit Migrationshintergrund durchgeführt werden.
  3. Unterstützung von außerunterrichtlichen Lernzirkeln und Lernnachmittagen durch Mütter und Väter.
  4. Gestaltung von Lesenachmittagen und ähnlichen Veranstaltungen durch Eltern.
  5. Musik-, Kunst- oder Theaterdarbietungen unter Leitung oder Mithilfe von Eltern.
  6. Angebote zur Berufsvorbereitung, bei denen Mütter und Väter in den Unterricht kommen, um ihre Berufe vorzustellen oder zu beschreiben, was an ihrer Arbeitsstelle von Auszubildenden erwartet wird.

Solche und ähnliche Veranstaltungen nutzen die besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen von Eltern für die Bildung der Schüler/innen. Sie können ohne größeren Aufwand organisiert werden.

Beeinflussung von Bildungsprozessen in der Familie

Bildungspartnerschaft geht aber auch in Richtung "Familie": Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen können durchaus das Bildungsgeschehen in den Familien der ihnen anvertrauten Kinder beeinflussen. So können Eltern durch entsprechende Informationen seitens der Tageseinrichtung bzw. Schule motiviert werden, Bildungs- bzw. Unterrichtsinhalte zu Hause aufzugreifen und zu vertiefen. Beispielsweise können bestimmte Aktivitäten mit den Kindern begonnen werden, die dann in der Familie fortgeführt oder ergänzt werden. Oder die Fach- bzw. Lehrkräfte schicken die Kinder mit dem Auftrag nach Hause, ihre Mütter und Väter zu einem bestimmten Thema zu "interviewen", sie um etwas (z.B. um ein "historisches" Objekt zum Anschauen in der Gruppe) zu bitten, mit ihnen ein vorgegebenes Experiment durchzuführen oder mit ihnen eine Bastelarbeit zu beenden (z.B. die Teile einer Martinslaterne zusammenzukleben). Auf diese Weise wird auch der Kita- bzw. Schulalltag für die Eltern transparent.

Ferner können Erzieher/innen und Lehrer/innen den Eltern empfehlen, zum Thema einer längerfristigen Aktivität oder eines Projekts passende (Bilder-) Bücher aus der Stadtbibliothek auszuleihen und mit den Kindern anzuschauen. Die Fachkräfte können auch Materialien wie Bücher, Lernspiele, Anleitungen, Praxisartikel usw. zusammenstellen, die Eltern ausleihen können. So werden Mütter und Väter angehalten, zu Hause bildende Aktivitäten mit ihren Kindern durchzuführen. Die Materialien können in Bezug zum Wochenplan, zum Unterrichtsthema oder zu einem aktuellen Projekt stehen, müssen dies aber nicht.

Erzieher/innen können im Rahmen der Bildungspartnerschaft die Eltern motivieren, ihre Kinder beispielsweise auf dem Gebiet der Spracherziehung verstärkt zu fördern. So können sie die Mütter und Väter zu folgenden Aktivitäten anhalten: Vorlesen, Bilderbücher betrachten, (Gute-Nacht-) Geschichten erzählen, dem Kind zuhören, wenn es etwas erzählt, und dann das Gespräch ausweiten etc.

Im schulischen Bereich wird in den USA seit Jahren mit so genannten "interaktiven Hausaufgaben" gearbeitet, die Lehrer/innen unter Berücksichtigung der Interessen von Eltern und Kindern entwickeln und die von Letzteren im Gespräch miteinander erledigt werden müssen. Ergänzend werden mancherorts "homework workshops" angeboten, in denen Mütter und Väter lernen, wie sie mit solchen interaktiven Hausaufgaben umgehen sollen. Dabei geht es auch um das Erlernen von Fragetechniken, die Kinder zum Nachdenken anregen. Bei Workshops an Grundschulen wird besonders betont, wie Eltern das Lesen ihrer Kinder fördern können. Inzwischen wurde nachgewiesen, dass Eltern-Kind-Interaktionen im Zusammenhang mit dem Erledigen von Hausaufgaben das Interesse an Bildung auf beiden Seiten fördern und beim Kind zu besseren Schulleistungen führen.

Einbindung von Vätern

Eine bei der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft weitgehend vernachlässigte Gruppe von Eltern sind die Väter. Dies ist bedauerlich: Väter nehmen einen wichtigen Platz im Leben zumindest der jüngeren Kinder ein; die Väterforschung hat ihre große Bedeutung insbesondere für die Entwicklung kognitiver Kompetenzen, sozialer Fertigkeiten, der Geschlechtsrollenidentität und des Selbstwertgefühls belegt. So sind sie wichtige Miterzieher, die von den Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen nicht ignoriert werden dürfen. Sie sollten nicht länger "Zaungäste" in der Kindertageseinrichtung oder Schule sein, sondern Gelegenheiten erhalten, auch eine "neue Väterlichkeit" auszuprobieren, anderen Vätern zu begegnen und sich ihren Kindern zu widmen.

Deshalb sollten Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen schon vom ersten Kontakt an väterfreundliche Signale aussenden, z.B. indem sie ausdrücklich auch Väter zu Elterngesprächen und -abenden einladen. So können diese ihre Perspektiven und Ansichten einbringen, die sich oft von denen der Mütter unterscheiden. Auch können sie als Mitglieder des Elternbeirats gewonnen oder zu bestimmten Themen als Fachmann in die Gruppe bzw. in den Unterricht eingeladen werden.

In vielen Kindertageseinrichtungen konnte eine besonders hohe Beteiligung von Vätern durch reine Vater-Kind-Aktionen erreicht werden - insbesondere wenn die Väter direkt von ihren Kindern eingeladen wurden. Relativ wenig Arbeit machen gemeinsame Abendmahlzeiten, da diese von den Kindern vorbereitet werden können. Gegen 19.00 Uhr werden nahezu alle Väter den Weg in die Kindertageseinrichtung gefunden haben. Schon etwas anspruchsvoller und aufwändiger sind Spielkreise für Väter und Kinder. Hierzu kommen eigentlich nur drei - für Erzieher/innen ungünstige - Zeitpunkte in Frage: der Freitagnachmittag oder der Samstagvormittag bzw. -nachmittag. Wenn man zwei bis drei Stunden für den Spielkreis ansetzt, ist z.B. folgendes Programm möglich: (1) die Kinder zeigen ihren Vätern den Kindergarten, (2) Freispiel, (3) Beschäftigung, (4) Imbiss. Beschäftigungen können Bastelaktivitäten, Tonen, Werken u.Ä. beinhalten. Bei solchen Spielkreisen erfahren die Väter, wie ihre Kinder gefördert werden und mit welchen Spielmaterialien sie tagtäglich umgehen. Vater-Kind-Aktionen können aber auch im Wald oder auf Abenteuerspielplätzen stattfinden. Ferner können sie einen sportlichen Charakter haben: Beispielsweise können bei einem Fußballspiel die Kinder gegen die Väter antreten - wobei Letztere nur im Sitzen spielen dürfen oder je zwei Väter an den Beinen zusammengebunden werden. Dann haben auch Kleinkinder echte Gewinnchancen!

Vielerorts sind positive Erfahrungen mit Angeboten nur für Väter gesammelt worden. Besonders bewährt haben sich Aktivitäten, zu denen Körperkraft und handwerkliches Geschick benötigt werden. So haben viele Kindertageseinrichtungen mit Hilfe von Vätern die Außenanlagen umgestaltet oder Holzeinbauten in Gruppenräumen erstellt. Auch zu Gartenarbeiten und zum Reparieren von Geräten bzw. Spielsachen lassen sich Väter relativ leicht gewinnen. Insbesondere längerfristige oder häufige Projekte schweißen die Beteiligten zusammen: Es kommt zu intensiven Gesprächen; Freundschaften entstehen.

Vereinzelt - etwas häufiger in den USA als in Deutschland - wird von reinen Vätergruppen berichtet. Hier treffen sich Väter am Abend, um über die Entwicklung und Erziehung von Kindern, über altersgemäße Beschäftigungen und Erziehungsschwierigkeiten zu diskutieren. Ferner wird die Vaterrolle reflektiert, das traditionelle Männerbild hinterfragt und nach Wegen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesucht. Auf diese Weise wird der Weg zu eher partnerschaftlichen, verständnisvollen und empfindsamen Beziehungen zu Frauen und Kindern geebnet.

Solche Vätergruppen kommen in der Regel nur zustande, wenn Väter persönlich oder telefonisch eingeladen werden. Erfahrungsgemäß lassen sich mehr Männer gewinnen, wenn die Treffen ungezwungen beginnen - z.B. mit einem gemeinsamen Imbiss - und gemütlich ausklingen. Hat die Gruppe mit einigen wenigen Vätern begonnen, können diese gebeten werden, andere Väter anzusprechen - Männer lassen sich leichter von anderen Männern "anwerben". Manchmal wirkt es sich auch positiv aus, wenn die Gruppe von einem Mann, beispielsweise einem Erziehungsberater, geleitet wird.

Schließlich sind reine Freizeitangebote für Väter denkbar - die möglichst von den Vätern selbst organisiert werden sollten: Fußball, Handball, Basketball, Kegeln, Besuch von Sportveranstaltungen, Skatabende, Ausflüge u.v.a.m. Hier lernen Väter einander besser kennen - und dann fällt es ihnen leichter, auch einmal über die Entwicklung und Erziehung ihrer Kinder zu diskutieren.

Besonders wichtig ist aber, Väter in Elterngespräche einzubeziehen, da diese den Kernbereich der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern bilden. Das bedeutet allerdings, dass oft Termine am späten Nachmittag oder frühen Abend vereinbart werden müssen. Erzieher/innen und Lehrer/innen können Väter bitten, ihren Eindruck von der Entwicklung und Verhalten ihres Kindes zu äußern und dessen Stärken, Schwächen, Interessen und Eigenarten zu charakterisieren. Sie können sich durch Fragen wie "Was machen Sie gerne mit Ihrem Kind?" oder "Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Vater?" einen Einblick in die Vater-Kind-Beziehung verschaffen. Und sie können Väter motivieren, ihre Ansichten über Erziehung und Bildung einzubringen und zu klären, wie diese in Familie, Kindertageseinrichtung und Schule umgesetzt werden könnten. Häufig werden dann die Fach- bzw. Lehrkräfte feststellen, dass Väter durchaus eigene Vorstellungen und Sichtweisen haben, die zu kennen wichtig für den erzieherischen Umgang mit dem jeweiligen Kind ist.

Einbindung von Familien mit Migrationshintergrund

Deutsche und zugewanderte Eltern, deren Kinder einer besonderen Sprachförderung bedürfen, sind oft schlecht zu erreichen, da sie von sich aus eher selten auf Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen zugehen. Die Kontaktaufnahme zu Eltern mit Migrationshintergrund wird zusätzlich durch folgende Faktoren erschwert:

  • Migrant/innen bilden keine homogene Gruppe: Sie unterscheiden sich nach Herkunftsregion bzw. -land, Kultur, Religion, Werten, Aufenthaltsdauer, Schichtzugehörigkeit, Familienstruktur, Geschlechtsrollenleitbildern, Erziehungsstil, Integrationswillen usw. Es gibt also nicht einen bestimmten Weg, um Eltern mit Migrationshintergrund zu erreichen; viele Vorgehensweisen sind möglich und müssen im Einzelfall ausprobiert werden.
  • Verständigungsprobleme: Die Deutschkenntnisse von Familienmitgliedern können höchst unterschiedlich sein: Ist z.B. nur der Mann erwerbstätig, spricht er die deutsche Sprache oft besser als seine Frau; so genannte Heiratsmigrant/innen mögen überhaupt kein Deutsch können, während ihre Partner es fließend sprechen. In anderen Familien beherrschen beide Eltern die deutsche Sprache nur rudimentär. Deshalb benötigen Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen häufig die Unterstützung von Dolmetscher/innen. Dies können durchaus andere Eltern mit Migrationshintergrund sein, welche die deutsche Sprache beherrschen (außer es werden sehr persönliche Themen besprochen: dann werden oft externe Dolmetscher/innen gewünscht).
  • unklare Vorstellungen der Migrant/innen von Kindertageseinrichtungen: Sie wissen nicht, was dort mit ihren Kindern "geschieht", schätzen ihre Bedeutung falsch ein (z.B. sehen sie nicht als Bildungseinrichtungen und melden dementsprechend ihre Kinder nicht so früh wie möglich an), haben unrealistische Erwartungen (z.B. dass ihre Kinder in der Kindertageseinrichtung Deutsch lernen - selbst wenn sie in ihrer Familie nur in ihrer Herkunftssprache reden, den privaten Kontakt zu Deutschen scheuen und überhaupt keine deutschsprachigen Medien nutzen) oder wissen nicht, dass auch sie als Eltern "Zielgruppe" des Kindertagesstätte sind.
  • Misstrauen: Aufgrund erlebter Diskriminierung - z.B. bei Behördenkontakten - befürchten manche Migrant/innen, dass sie ähnliche Erfahrungen in der "offiziellen" Institution "Kindertageseinrichtung" bzw. "Schule" machen werden. Bei den ersten Kontakten mit Fach- bzw. Lehrkräften sind sie deshalb misstrauisch und viel unsicherer als deutsche Eltern; sie halten sich dementsprechend zurück.

Deshalb müssen Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen die Beziehung zu Eltern mit Migrationshintergrund ab dem ersten Kontakt bewusst aufbauen. Dies ist an Kindertageseinrichtungen einfacher, da zum einen längere Aufnahme- und Eingewöhnungsgespräche üblich sind, bei denen bereits ein intensiver Austausch über das jeweilige Kind (u.U. mit Hilfe eines Dolmetschers) erfolgt, und da zum anderen häufige Tür- und Angel-Gespräche möglich sind, da in der Regel die Eltern ihr Kind zur Tagesstätte bringen und dort auch wieder abholen.

Wichtig ist, dass Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen für sich prüfen, ob sie nicht (einige) Eltern mit Migrationshintergrund meiden, weil sie sich z.B. mit ihnen kaum verständigen können. Besonders wichtig ist die Selbstbeobachtung:

  • Wie gehe ich mit Migrant/innen im Vergleich zu deutschen Eltern um?
  • Kann ich mich in ihre Lebenslage und in ihren Erfahrungshintergrund hineinversetzen?
  • Gehe ich auf ihre Gefühlssituation ein?
  • Kann ich ganz andere Werte, Normen, Geschlechtsrollenleitbilder und Erziehungsstile akzeptieren?
  • Empfinde ich das Beherrschen verschiedener Sprachen als Bereicherung?
  • Gibt es Sprachen, die ich als wertvoller ansehe?

So entstehen Probleme oft aus der mangelnden Beachtung der Familiensprache von Kindern mit Migrationshintergrund in der pädagogischen Arbeit. Vielfach wird diese sogar als Behinderung empfunden, da muttersprachliche Kontakte und Kommunikationsmöglichkeiten ein schnelleres und intensiveres Deutschlernen verhindern könnten. Für Kinder ist es aber sehr problematisch, wenn ihre sprachlichen Fähigkeiten nicht beachtet und nicht gewürdigt werden. Fach- bzw. Lehrkräfte, die so handeln, nehmen den Kindern die Chance auf Kompetenzerwerb in der Erstsprache.

Mehrsprachigkeit fördern

Deshalb sollten Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen im Gespräch mit Eltern mit Migrationshintergrund klären, wie gemeinsam die Entwicklung der Mehrsprachigkeit beim jeweiligen Kind gefördert werden kann, was für seine Integration in die Kindergruppe bzw. Schulklasse (und in die deutsche Gesellschaft) hilfreich ist und wie sich seine Eltern als Fachpersonen für die Erstsprache in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule einbringen könnten. So können beispielsweise die Erzieher/innen Mütter bzw. Väter bitten, in der Kindertageseinrichtung z.B. Bilderbücher in ihrer Muttersprache vorzulesen, Geschichten zu erzählen oder gar einen Sprachkurs durchzuführen, wobei die Fachkräfte sie durch den Erwerb von Bilderbüchern, Spielen, Liedtexten usw. in ihrer Herkunftssprache unterstützen. Dann fühlen sich die Eltern und ihre Kinder angenommen und akzeptiert. Sie gewinnen den Eindruck, dass Bilingualität seitens der Fachkräfte positiv gesehen und gefördert wird.

Dennoch ist es wichtig, Eltern mit Migrationshintergrund vom ersten Kontakt an zu vermitteln, wie wichtig das Beherrschen der deutschen Sprache für die Zukunft ihrer Kinder ist. Hier können Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen an den hohen Erwartungen vieler Migrant/innen hinsichtlich ihrer Kinder anknüpfen (z.B. dass diese später studieren werden). Sie können den Eltern relevante Informationen über das deutsche Bildungswesen vermitteln und ihnen bewusst machen, wie wichtig die perfekte Beherrschung der deutschen Sprache für den Schulerfolg ist. Dann können sie die Eltern motivieren, ihre Kinder so früh wie möglich die deutsche Sprache lernen zu lassen. Hilfreich sind hier auch Broschüren über die Bedeutung einer frühzeitigen Sprachförderung, die in verschiedenen Sprachen bei Ministerien und Verbänden erhältlich sind.

Bei allen Eltern (also auch den deutschen), deren Kinder einer besonderen Sprachförderung bedürfen, sind regelmäßige Gespräche über die Entwicklung ihrer Kinder wichtig: Zunächst sollten den Eltern Sprachrückstände und -auffälligkeiten anhand von systematischen Beobachtungen und Tests deutlich gemacht werden. Haben sie besonderen Sprachfördermaßnahmen zugestimmt, sollten sie motiviert werden, diese daheim zu unterstützen. In diesem Zusammenhang kann mit ihnen ein Vertrag abgeschlossen werden, in dem beide Vertragspartner eine aktive und verbindliche Zusammenarbeit bei der Sprachförderung der Kinder zusichern. Bei späteren Gesprächen sollten die Eltern über die Fortschritte ihrer Kinder informiert werden, sodass ihre Motivation zur Mitarbeit erhalten bleibt.

Die Eltern können die Sprachförderung zu Hause am besten unterstützen, wenn ihnen die Maßnahmen in der Kindertageseinrichtung (bzw. Schule) transparent gemacht werden: Beispielsweise können im Eingangsbereich Fotokopien mit dem Inhalt der jeweiligen Spracheinheit (z.B. "Wörter der Woche") für die Eltern ausgelegt werden. So kann die Arbeit der Erzieher/innen zu Hause von den Eltern fortgesetzt werden. Noch besser ist es, wenn parallel zu dem Maßnahmen für die Kinder ein Kurs für Eltern (Mütter) mit Migrationshintergrund angeboten wird, in dem diese dieselben Begriffe und Redewendungen wie ihre Kinder lernen.

Ansonsten sollten Eltern mit Migrationshintergrund prinzipiell dazu angehalten werden, ihr Kind auch zu Hause mit der deutschen Sprache zu konfrontieren, indem z.B. gemeinsam deutsche Kindersendungen im Fernsehen angeschaut, CDs mit deutschsprachigen Märchen, Liedern und Geschichten angehört, deutsche Bilderbücher betrachtet oder Kinderbücher angeschafft werden. Hilfreich ist hier, wenn Erzieher/innen und Lehrer/innen eine umfangreiche Sammlung von guten Bilder- und Kinderbüchern, empfehlenswerten (Sprach-) Spielen und MCs/CDs sowie von kindgemäßen Computerprogrammen anlegen, die von den Eltern (eventuell gegen eine kleine Gebühr) ausgeliehen werden können.

Lehrer/innen können Kindern mit Migrationshintergrund auch Hausaufgaben aufgeben, die zu einer längeren Interaktion zwischen Eltern und Kind, zum Betrachten von Büchern u.Ä. führen. An manchen Schulen lassen sich außerdem Lernangebote deutscher Eltern für Kinder mit Migrationshintergrund organisieren, wie z.B. Hausaufgabenbetreuung, Lesenachmittage oder ein ergänzender "Sprachunterricht".

Wie bereits angedeutet, sollten Erzieher/innen und Lehrer/innen Eltern mit Migrationshintergrund motivieren, selbst besser Deutsch zu lernen. Viele Migrant/innen kennen nicht die Angebote vor Ort, wie z.B. Sprachkurse der Volkshochschulen oder Programme wie "Mama lernt Deutsch". Manchmal ist es auch sinnvoll, einen Sprachkurs nur für Mütter in der Kindertageseinrichtung oder in den Kulturräumen einer Moschee anzusiedeln. Muslimische Frauen aus streng religiösen Familien erhalten eher die Erlaubnis, an solchen Kursen als z.B. an Angeboten der Volkshochschule teilzunehmen, da ein Kontakt zu Männern ausgeschlossen werden kann. Besonders positiv wirkt sich aus, wenn z.B. der Imam der örtlichen Moschee, der Ausländerbeirat oder ein Migrantenverein zum Besuch von Sprachkursen motiviert.

Interkulturelle Bildung

Als Beitrag zur multikulturellen Erziehung können Migrant/innen von ihrem Herkunftsland und den dortigen Lebensverhältnissen, Sitten und Bräuchen berichten, Fotos oder Dias zeigen, den Kindern Spiele aus ihrer Heimat beibringen, mit ihnen typische Landesgerichte kochen oder mit ihnen handwerkliche Tätigkeiten wie Flechten oder Knüpfen üben. Ferner können (religiöse) Feste gemeinsam gefeiert werden, wobei Migrant/innen die Festgestaltung übernehmen und über die Entstehung, den Sinn und die Bedeutung des jeweiligen Festes informieren. Die Anschaffung eines interkulturellen Kalenders kann für die Planung solcher Angebote sehr hilfreich sein. Solche Feiern sind eher zu empfehlen als so genannte "multikulturelle Feste", bei denen Migrant/innen auf die Rolle derjenigen festgelegt werden, die exotisches Essen kochen und Folklore darbieten. Hier werden Stereotype und Vorurteile eher verfestigt als abgebaut.

Werden Migrant/innen auf die skizzierte Art und Weise in Kindertageseinrichtungen und Schulen aktiv, wächst das Interesse der deutschen Eltern an deren Herkunftsland: Ein "Dialog der Kulturen" beginnt. So können die ausländischen Eltern - gute Deutschkenntnisse vorausgesetzt - ihr Land bei einer Veranstaltung mit Hilfe von Videos und Dias vorstellen. Sie können über ihre Religion informieren und für interessierte deutsche Eltern die Besichtigung einer Moschee oder einer orthodoxen Kirche organisieren. So treten sie aus ihrer Randposition heraus; engere Beziehungen zu Deutschen entstehen.

Vernetzung

Wie auf der Seite "Elterngespräche" beschrieben, vermitteln Erzieher/innen und Lehrer/innen die Hilfsangebote medizinischer und psychosozialer Dienste, von Jugendämtern und Förderschulen an Familien, deren Kinder unter Verhaltensauffälligkeiten, Lernschwierigkeiten, Entwicklungsverzögerungen oder Behinderungen leiden oder deren Eltern durch Ehekonflikte, Trennung/Scheidung, Armut, Arbeitslosigkeit usw. belastet sind. Oft kommt es dann zu fallspezifischen Kontakten zwischen den Fach- bzw. Lehrkräften und den Mitarbeiter/innen der Fachdienste.

Das ist der Beginn einer Vernetzung von Kindertageseinrichtungen und Schulen mit psychosozialen Diensten. Diese kann "institutionalisiert" werden, wenn Erzieher/innen, Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen eines Fachdienstes im Rahmen eines Informations- und Erfahrungsaustauschs die Lebens- und Arbeitswelt der jeweils anderen Seite kennen lernen und so deren Arbeitsweise, Probleme, Bedürfnisse und Wünsche bei einer Zusammenarbeit berücksichtigen können. Dann kann auch erörtert werden, wie die Kooperation im Einzelfall verbessert werden kann, inwieweit bestimmte Ziele wie Sucht- oder Gewaltprävention, Medienerziehung, Familienbildung u.Ä. gemeinsam realisiert werden können und ob der fachliche Austausch, die gegenseitige Hilfe beim Umgang mit Einzelfällen, die (kollegiale) Beratung bei Problemen u.Ä. zu einem Kompetenzgewinn und einer höheren Qualität der geleisteten Arbeit beitragen könnten.

Öffentliche und freie Träger der Wohlfahrtspflege, Politik und Verwaltung verbinden mit der Vernetzung von Kindertageseinrichtungen, Schulen und psychosozialen Diensten die Erwartung, dass die vorhandenen knappen Ressourcen gezielter, effektiver und effizienter genutzt sowie verschiedene Hilfsangebote miteinander verzahnt und abgestimmt werden. Eher abgeschottet arbeitende Einrichtungen sollen besser in das Netzwerk der Dienste eingebunden werden. All dies soll zu einer Optimierung der Versorgung mit medizinischen, therapeutischen und sozialen Dienstleistungen führen.

Ein Effekt dieser Vernetzung kann sein, dass Mitarbeiter/innen von Erziehungs-, Ehe-, Drogen- bzw. anderen Beratungsstellen regelmäßig eine Elternsprechstunde in der Kindertagesstätte oder Schule anbieten - z.B., um auf diese Weise Familien zu erreichen, die von sich aus nicht den Weg in die Einrichtung fänden. Zu den durch Aushang oder auf Handzetteln bekannt gegebenen Terminen kommt dann ein Mitarbeiter in die Kindertagesstätte bzw. in die Schule und steht für Beratungsgespräche zur Verfügung. Manchmal werden auch die Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen in Gespräche einbezogen. Dies trägt oft zu einem deutlich besseren Verständnis der Situation des Kindes und seiner Familie bei.

Andere mögliche Angebote von Fachdiensten in Kindertageseinrichtungen und Schulen sind Gesprächskreise für Eltern, Spielgruppen für Mütter und Kinder, Alleinerziehendentreffs, Elterntrainings u.Ä. So finden z.B. in Elterngruppen unter Einbeziehung von Erziehungsberater/innen oder anderen Fachleuten intensive Gespräche über Erziehungs- und Familienfragen statt. Bei Bildungseinrichtungen in sozialen Brennpunkten oder mit einem hohen Migrantenanteil sind Kooperationsveranstaltungen mit dem Allgemeinen Sozialdienst, Sozialberatungsstellen, der Schuldnerberatung oder dem Sozialamt denkbar.

Bei all diesen Formen der Vernetzung mit psychosozialen Diensten werden deren Hilfsangebote direkt in die Kindertageseinrichtung bzw. Schule geholt. Eltern nehmen in der gewohnten Umgebung bzw. in einer Gruppe ihnen bekannter Eltern viel eher ein Gesprächs- oder Beratungsangebot an. Haben sie in diesem Kontext erst einmal Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste kennen gelernt, fällt es ihnen auch leichter, diese bei größeren Problemen in ihren Dienststellen aufzusuchen. All diese Angebote dienen also sowohl dem Aufbau von Vertrauen als auch der Prävention von Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsschwierigkeiten.

Schulsozialarbeit

Das Hilfsangebot von psychosozialen Diensten stößt oft an Grenzen, wenn die Ursachen der Probleme überwiegend in der Gleichaltrigengruppe liegen. Dann bietet die Schulsozialarbeit eine Alternative. Sie wird von Sozialpädagog/innen durchgeführt, die entweder bei einem freien Träger der Wohlfahrtspflege, dem Jugendamt oder der Schule angestellt sind. Ihre Aufgaben sind vielfältig und von Schule zu Schule unterschiedlich. Zu ihnen gehören beispielsweise:

  • Beratung von Schüler/innen bei Problemen und Verhaltensauffälligkeiten, Vermittlung bei Konflikten zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen, Hilfe bei der Berufsfindung, Fördergruppen zur Erlangung sozialer Kompetenzen;
  • außerunterrichtliche Betreuung von Schüler/innen, Einrichtung von Kommunikationsmöglichkeiten und Schülertreffs, Freizeitangebote, Ferienmaßnahmen, Arbeitsgemeinschaften;
  • Hausaufgabenbetreuung, Mitwirkung bei Schulfahrten und Projektwochen, klassenbezogene Aktivitäten;
  • Elternberatung, Leitung von Elternkreisen, Hausbesuche, Vermittlung von Hilfen anderer Einrichtungen;
  • Beratung von Lehrer/innen, beratungsorientierte Teilnahme am Unterricht;
  • Zusammenarbeit mit Arbeitsamt, Betrieben, Jugendamt, Wohlfahrts- und Jugendverbänden, Beratungsstellen, sozialen Diensten, Jugendhäusern usw.

Schulsozialarbeiter/innen helfen Problemkindern, aber auch anderen Schüler/innen, und fördern deren Persönlichkeitsentwicklung. Sie wirken auf die sozialen Beziehung der Schüler/innen ein, indem sie beispielsweise Jugendliche aus radikalen Gruppierungen, Sekten oder der Drogenszene herauslösen oder Außenseiter integrieren. Dabei können sie den Kindern fehlende soziale Fertigkeiten vermitteln.

Ferner unterstützen Schulsozialarbeiter/innen Familien mit besonderen Belastungen, stellen die Betreuung von Kindern erwerbstätiger Mütter sicher, tragen zur Überwindung sozialer Benachteiligungen bei und fördern die Integration ausländischer Schüler/innen.

Kompensatorische Angebote

Kommen Eltern ihrer Erziehungs- und Bildungsfunktion nur unzureichend nach und wird dadurch die Weiterentwicklung ihrer Kinder beeinträchtigt, sollten seitens der Schule kompensatorische Maßnahmen durchgeführt werden. Hier sind natürlich in erster Linie die Lehrer/innen gefragt, die aber auch auf Ehrenamtliche, Schulsozialarbeiter/innen, Eltern oder andere geeignete Personen zurückgreifen können. So könnten z.B. folgende Angebote gemacht oder organisiert werden:

  1. Hausaufgabenbetreuung;
  2. kostenloser Nachhilfeunterricht;
  3. Vorlesenachmittage, Buchausstellungen oder Bibliotheksbesuche, durch die Kinder aus bildungsschwachen Familien in die Welt der Bücher eingeführt werden und die deren Literacy-Erziehung dienen;
  4. Nutzung von Computern in der Schule - natürlich unter Anleitung -, wenn Kinder zu Hause keinen Computer haben;
  5. Selbstbehauptungstraining für Schüler/innen, die in ihrer Familie kein Selbstvertrauen entwickeln konnten;
  6. Musik-, Tanz-, Theater-, Mal-, Werk- oder Technikkurse für Kinder mit besonderen Begabungen in Bereichen, die von der Schule zu wenig berücksichtigt werden.

Und diese Liste ließe sich sicherlich noch fortsetzen...

Familienbildung

Manches Beratungsgespräch könnte vermieden wenn, wenn Eltern frühzeitig über die "normale" kindliche Entwicklung und eine "gute" Familienerziehung informiert werden und oft die Gelegenheit haben, sich mit anderen Eltern über ihre Kinder auszutauschen. Dies wird Müttern und Vätern im Rahmen der so genannten Familienbildung ermöglicht.

Da alle Eltern nur über Kindertageseinrichtungen und Schulen erreicht werden können, sollte es vor allem hier familienbildende Maßnahmen geben. Diese könnten auf Honorarbasis von Psycholog/innen, (Diplom-) Pädagog/innen, Sozialpädagog/innen und anderen qualifizierten Fachleuten durchgeführt werden, sodass die Kosten relativ gering wären. Relevante Angebote an Kindertageseinrichtungen und Schulen können beispielsweise sein:

  1. Elternkurse, in denen nicht nur Wissen über die Erziehung und Bildung von Kindern in der Familie vermittelt wird, sondern auch Kompetenzen gefördert werden. Die meisten Elterntrainings wollen generell die Erziehungskompetenz von Eltern stärken; andere Kurse befassen sich hingegen mit besonderen Problemen wie z.B. Eltern-Kind-Konflikten.
  2. Elterngruppen, bei denen das Gespräch miteinander im Vordergrund steht: Die Eltern können Fragen und Probleme, die sie beschäftigen, untereinander diskutieren - eventuell auch mit einer entsprechend qualifizierten Person, die als Gesprächsleiterin fungiert.
  3. Pädagogische Workshops für Eltern, z.B. "Wie können Eltern das Lernen ihrer Kinder fördern?", "Hausaufgabenbetreuung - aber richtig!" oder "Wie bereitet ein Schüler eine Klassenarbeit gut vor?"
  4. Einzelveranstaltungen für Eltern, z.B. zu Themen wie: "Der Bildungsplan", "Wie bereite ich mein Kind auf den Übergang vom Kindergarten auf die Grundschule vor?" oder "Gefahren des Internets".
  5. Gemeinsame Pädagogische Abende für Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und Eltern: Bewährt haben sich Gespräche mit Expert/innen zu einem bestimmten Thema, etwa "Literacy-Erziehung in Kindertageseinrichtung und Elternhaus" oder "Veränderung der Eltern- und Lehrerrolle in der Pubertät der Schüler/innen".
  6. Gemeinsame Fortbildung von Fach- bzw. Lehrkräften und Eltern, z.B. zum Thema "Kommunikation und Konfliktlösung"; ein Baustein könnten Techniken der Gesprächsführung sein.
  7. Wochenendfreizeiten für Eltern und Kinder, an denen möglichst auch Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen teilnehmen sollten. Bei jüngeren Kindern können neben Elterngesprächskreisen gemeinsame Aktivitäten im Mittelpunkt stehen; bei Jugendlichen können Eltern und Kinder sowohl getrennt als auch gemeinsam bestimmte Themen diskutieren.
  8. Angebote für besondere Zielgruppen: Für Migrant/innen und Aussiedler/innen können z.B. Veranstaltungen zur bilingualen Erziehung (aber auch Sprachkurse) durchgeführt, für Eltern mit Erziehungsproblemen und für Scheidungsfamilien Gruppenangebote gemacht sowie für Eltern mit behinderten Kindern Selbsthilfegruppen initiiert werden.

Bei all diesen Angeboten steht allerdings die Familienerziehung eindeutig im Vordergrund; auf die Bildungsfunktion wird höchstens am Rande eingegangen. Dieses Manko ist bisher kaum wahrgenommen worden, und so finden Eltern nur selten Angebote, die sich speziell auf die Förderung der sprachlichen und kognitiven Entwicklung von Kindern, die Weckung von Lesefreude (Literacy), die Vermittlung lernmethodischer Kompetenz, die Stärkung von Leistungsmotivation und Frustrationstoleranz oder die Kooperation mit Kindertageseinrichtung und Schule beziehen. So sollten sich mehr elternbildende Angebote auf die Bildungsfunktion von Familien konzentrieren. Es gilt, vor allem folgende bildungsrelevante Merkmale zu fördern:

  1. eine qualitativ gute Kommunikation zwischen Eltern und Kindern (also auch bezogen auf Wortschatz, Begriffsverständnis, Komplexität von Sätzen usw.),
  2. Unterstützung des (Klein-) Kindes bei der Erkundung der Welt und bei der Aufnahme sozialer Beziehungen,
  3. bildende Aktivitäten in der Familie, z.B. Beschäftigung mit Lernspielen, Vorlesen, Experimentieren, Gespräche über Fernsehfilme, Bücher, naturwissenschaftliche Themen oder politische Ereignisse,
  4. eine positive Einstellung zu Lernen und Leistung, zu Kindertageseinrichtung, Schule und Berufsausbildung bzw. Studium,
  5. positive Interaktionen über das, was in der Schule und im Unterricht passiert, Unterstützung bei den Hausaufgaben, ein hohes Anspruchsniveau hinsichtlich Schulleistung und -abschluss,
  6. ein enger Kontakt zwischen Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen, damit erstere wissen, wie sie außerfamilale Bildungs- und Erziehungsbemühungen zu Hause unterstützen können.

So sollte bei Elternangeboten auch angesprochen werden, wie Eltern die sprachliche und kognitive Entwicklung ihrer Kinder fördern, Lesefreude wecken, lernmethodische Kompetenz vermitteln, Leistungsmotivation und Frustrationstoleranz stärken oder ihr Kind auf die Schule vorbereiten können.

Erzieher/innen und Lehrer/innen können solche Kurse nur im Ausnahmefall selbst durchführen. Wie bereits erwähnt, gibt es entsprechend ausgebildete Fachleute, die auf Honorarbasis Einzelveranstaltungen und Seminare übernehmen können. Die Kindertageseinrichtung bzw. Schule muss also solche Angebote nur organisieren, wobei sie in der Regel auf die Unterstützung von Familienbildungsstätten, Volkshochschulen oder Jugendämtern zurückgreifen kann. Deren Mitarbeiter/innen kennen in der Regel erfahrene Kursleiter/innen und Referent/innen; oft können sie auch die Kosten für die Veranstaltungen oder einen Teil derselben übernehmen.

Elternmitbestimmung

Eltern haben mehr Rechte in Kindertageseinrichtungen als in Schulen. Deshalb werden auf dieser Seite die Mitbestimmungsmöglichkeiten für beide Institutionen getrennt beschrieben.

Partizipation von Eltern in Kindertageseinrichtungen

Laut Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes sind Pflege und Erziehung das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Dieser verfassungsrechtlich garantierte Erziehungsvorrang der Eltern wird in § 1 Abs. 2 des SGB VIII wiederholt. Damit wird verdeutlicht, dass Kindertageseinrichtungen nur ein nachrangiges, abgeleitetes bzw. übertragenes Erziehungsrecht haben. Sie haben im Gegensatz zur Schule keinen eigenständigen Bildungsauftrag. Das Bildungs- und Erziehungsrecht muss Erzieher/innen somit erst von den Eltern "per Vertrag" übertragen werden.

Aus dieser Rechtslage - und aus der Tatsache, dass Eltern bei Kindertageseinrichtungen im Gegensatz zur Schule einen Teil der Kosten tragen müssen - resultiert eine andere Machtposition der Eltern. Dementsprechend heißt es im Kinder- und Jugendhilfegesetz: "Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen sicherstellen, dass die Fachkräfte in ihren Einrichtungen mit den Erziehungsberechtigten zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses zusammenarbeiten. Die Erziehungsberechtigten sind an den Entscheidungen und wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen" (§ 22a Abs. 2 SGB VIII).

Aus diesen Aussagen lassen sich drei Formen der Partizipation folgern:

  1. Mitbestimmung bei der Betreuung, Bildung und Erziehung des eigenen Kindes: Mütter und Väter haben nicht nur das Recht zu erfahren, wie ihr Kind in der Kindertageseinrichtung erzogen, gebildet und betreut wird, sondern auch das Recht, die für ihr Kind geltenden individuellen Ziele und Maßnahmen mitzubestimmen. So können sie gegenüber den Erzieher/innen ihre Wünsche und Erwartungen äußern - z.B. dass ihr Kind vor allem im musischen Bereich gefördert werden soll. Werden Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensauffälligkeiten, (drohende) Behinderungen usw. festgestellt, sollten sie mitbestimmen, wie damit in der Einrichtung umgegangen wird, ob besondere heilpädagogische oder therapeutische Maßnahmen notwendig sind und - falls ja - wo und wie diese durchgeführt werden. Die Wünsche und Vorstellungen der Eltern können jedoch nur in dem Maße berücksichtigt werden, in dem sie dem Wohl des betroffenen Kindes entsprechen und sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Ferner sollten sie mit der Konzeption des jeweiligen Kindergartens im Einklang stehen, von den Erzieher/innen pädagogisch vertreten werden können und unter den gegebenen Rahmenbedingungen umzusetzen sein.
  2. Mitbestimmung bei der Betreuung, Bildung und Erziehung aller Kinder: Interessierte Mütter und Väter sollten die Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen bei der Entwicklung und Fortschreibung der pädagogischen Konzeption der Kindertageseinrichtung einzubringen - zumindest über den Elternbeirat. Dabei müssen sie selbstverständlich die im jeweiligen Bundesland geltenden rechtlichen Bestimmungen und Bildungspläne berücksichtigen. Da die Eltern - auch untereinander - und die Erzieher/innen manchmal unterschiedliche Vorstellungen haben, sind gelegentlich langwierige "Verhandlungen" notwendig, bis Kompromisse hinsichtlich einzelner Ziele erreicht werden. Die Fachkräfte sind aber weiterhin für die pädagogische Qualität und Umsetzbarkeit der jeweiligen Konzeption verantwortlich; der Träger der Kindertageseinrichtung hat die letzte Entscheidung.
    Ferner sollten interessierte Eltern die Möglichkeit haben, bei dem Erstellen von Rahmen- und Wochenplänen, bei der Planung von Projekten und bei der Organisation von Veranstaltungen mitzubestimmen - insbesondere wenn sie hier auch mitarbeiten wollen oder sollen. Ferner können sie bestimmte pädagogische Maßnahmen und Bildungsangebote vorschlagen (z.B. mehr Bewegungserziehung, Erlernen einer Fremdsprache).
  3. Mitwirkung in der verfassten Elternschaft: Im Elternbeirat nehmen von der Gesamtelternschaft gewählte Eltern die in den Gesetzen und Verordnungen des jeweiligen Bundeslandes genannten Mitbestimmungsrechte wahr. Elternvertreter/innen können an der Festlegung der Öffnungszeiten der Kindertageseinrichtung, an der Klärung finanzieller Fragen (Haushalt, Elternbeiträge usw.) und an Maßnahmen zur Veränderung der räumlichen Gestaltung und der sachlichen Ausstattung beteiligt werden. Sie geben den Erzieher/innen Feedback hinsichtlich der Bedürfnisse und Zufriedenheit der Eltern und stellen sich schützend vor sie, falls einzelne Eltern unerfüllbare Wünsche oder unberechtigte Kritik äußern. So werden sie für die Erzieher/innen zu Bündnispartnern und Wegbegleitern. Schließlich können Elternbeiräte einen Förderverein gründen und damit der Kindertageseinrichtung eine neue Finanzierungsquelle erschließen.

Prinzipiell sollten Wünsche und Vorschläge der Eltern positiv gesehen werden: Sie sind als ein Zeichen des Bemühens zu verstehen, dem Kind bzw. den Kindern die bestmögliche Erziehungsumwelt zu sichern. Dieses Bestreben der Mütter und Väter entspricht spiegelbildlich dem Auftrag der Kindertageseinrichtung, das Kindeswohl sicherzustellen.

Partizipation von Eltern in der Schule

Die Mitbestimmungsrechte der Eltern an Schulen sind in den entsprechenden Ländergesetzen und -verordnungen geregelt. In der Regel wird ausführlich beschrieben, wie Elternvertreter/innen auf den Ebenen der Klasse, der Schule, des Bezirks und des Bundeslandes gewählt werden und welche Aufgaben sie haben. So sollen sie beispielsweise das Vertrauensverhältnis zwischen den Eltern und den Lehrkräften, die gemeinsam für die Bildung und Erziehung der Schüler/innen verantwortlich sind, vertiefen, Wünsche, Anregungen und Vorschläge der Eltern beraten und deren Interessen wahren.

Zumeist wird auch festgelegt, dass die Schulleitung Elternvertreter/innen über bestimmte Angelegenheiten unverzüglich zu unterrichten hat und dass sie auf Anregungen und Vorschläge des Elternbeirats binnen einer angemessenen Frist reagieren muss. In vielen Bundesländern werden Elternräte auch z.B. an der Entwicklung eines eigenen Schulprofils, dem Erlass von Verhaltensregeln für den geordneten Ablauf des äußeren Schulbetriebs (Hausordnung), der Festlegung der Pausenordnung und Pausenverpflegung sowie an wesentlichen Fragen der Schulorganisation, der Schulwegsicherung und der Unfallverhütung beteiligt. Häufig haben sie das Recht, auf Antrag eines Betroffenen in Konfliktfällen zu vermitteln.

Anmerkung

Eine umfassendere Darstellung der Thematik finden Sie in meinen Büchern "Elternarbeit im Kindergarten. Ziele, Formen, Methoden" (Books on Demand, 4. Aufl. 2021), "Bildungs- und Erziehungspartnerschaft in Kindertageseinrichtungen" (Books on Demand, 3. Aufl. 2020) und "Elternarbeit in der Schule" (Books on Demand, 3. Aufl. 2021), die im Buchhandel und z.B. bei Amazon erhältlich sind.