Familienbildung: Situation, Träger, Perspektiven

Martin R. Textor

 

In den kommenden Jahrzehnten wird die Familienbildung mit zwei großen Herausforderungen konfrontiert werden: Zum einen wird nach Bevölkerungsvorausberechnungen die Zielgruppe "Familie mit Kindern" immer kleiner werden (Textor 1992, 1994). Dies dürfte zu einem Rückgang der Teilnehmerzahlen bei Familienbildungsangeboten und vermutlich zu einer größeren Konkurrenz zwischen verschiedenen Veranstaltern führen. Zum anderen wird aufgrund zurückgehender Mittel für sozial- und familienpolitische Leistungen der finanzielle Spielraum immer enger werden (Textor 1996b). So wird sich die Tendenz verstärken, dass Träger der Jugendhilfe weniger Mittel für Maßnahmen der Familienbildung zur Verfügung stellen. Auch die Zuschüsse nach den Erwachsenenbildungsgesetzen dürften eher gekürzt als erhöht werden. Geht man davon aus, dass das Aufkommen an Kirchensteuern und Spenden stark sinken wird - nicht nur aufgrund von Kirchenaustritten, sondern vor allem aufgrund der in Zukunft schnell zurückgehenden Zahl Erwerbstätiger und damit von Kirchensteuerzahlern -, so werden Zuschüsse der Kirchen kaum die Reduzierung öffentlicher Mittel kompensieren können.

Diese Situation wird sich vermutlich besonders negativ auf Familienbildungsstätten mit ihren hohen Kosten durch hauptamtliche Mitarbeiter, Referenten und feste Räumlichkeiten auswirken. Da zurückgehende Fördermittel kaum durch eine Erhöhung der Teilnehmergebühren ausgeglichen werden können sowie die Schrumpfung der Zielgruppe zu niedrigeren Teilnehmerzahlen bei Einzelveranstaltungen und damit zu einer geringeren Effizienz führen dürfte, ist mit einer starken Verschlechterung der finanziellen Lage zu rechnen. Zusätzlich dürften sich drei Faktoren negativ auswirken:

  1. Meines Wissens wurden kaum wissenschaftliche Untersuchungen über die Effektivität von Angeboten der Familienbildungsstätten durchgeführt. Damit lässt sich letztlich in der Auseinandersetzung mit Politikern und Jugendhilfeträgern nicht belegen, dass die angebotenen Kurse und Einzelveranstaltungen präventiv wirken, also z.B. die Entstehung von Erziehungsschwierigkeiten und die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten verhindern oder Familien stabilisieren. Die Diskrepanz zu einem wissenschaftlich begleiteten Programm wie beispielsweise "Ehevorbereitung - ein Partnerschaftliches Lernprogramm" (EPL) (Hahlweg et al. 1993; Thurmaier et al. 1992) ist evident. Vertreter dieses oder amerikanischer Programme der Ehebereicherung und des Elterntrainings können gegenüber potentiellen Geldgebern auf hohe Erfolgsquoten verweisen.
  2. Trotz vieler Versuche, andere Bevölkerungsgruppen einzubeziehen, erreichen Familienbildungsstätten weiterhin in erster Linie Mittelschichtseltern, oder richtiger -mütter. Diese sind nicht die eigentliche Klientel von Jugendhilfeträgern. Es ist zu vermuten, dass diese in Zukunft vor allem Zuwendungen für Maßnahmen kürzen werden, die an den Zielgruppen für Jugendhilfemaßnahmen vorbeigehen.
  3. In den letzten Jahren drängten neue Träger auf den Familienbildungs-"Markt" bzw. werden voraussichtlich in Zukunft verstärkt auf ihn drängen. Es entstanden Mütter- und Familienzentren; Eltern- und Familiengruppen wurden im Rahmen der Familienselbsthilfe gegründet; Behindertenverbände wie die Deutsche Lebenshilfe entwickelten Elternangebote; Familienbildung an Kindertagesstätten wurde im Kontext von Modellversuchen wie "Orte für Kinder" intensiviert; der Deutsche Familienverband entwickelt derzeit ein umfangreiches Familienbildungsprogramm. Da Kinderbetreuungseinrichtungen zunehmend unter "Kindermangel" leiden werden, dürften sie vermehrt in den Bereich der Elternbildung eindringen - eine Entwicklung, die nicht nur schon in den neuen Bundesländern zu beobachten ist. Somit wird die Konkurrenz von Familienbildungsstätten immer stärker werden.

Aber auch all die anderen Träger von Familienbildungsmaßnahmen werden von zurückgehenden Zuschüssen betroffen sein. Generell wird sich negativ auswirken, dass sich die Veranstalter weder auf kommunaler noch auf Landes- oder Bundesebene zu repräsentativen Gremien zusammengeschlossen haben, die sie gegenüber der Politik, den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe und anderen "Geldgebern" vertreten. In einem so machtlosen Bereich wie der Familienbildung ist es unverständlich, dass sich allein schon die Familienbildungsstätten durch drei Bundesarbeitsgemeinschaften vertreten lassen.

Praxisfelder und Träger der Familienbildung

Zentrale Rechtsgrundlage für die Familienbildung - und einzige Rechtsgrundlage auf Bundesebene - ist § 16 SGB VIII mit der Überschrift "Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie". Die ersten Worte von Absatz 1 verdeutlichen die Zielgruppen: "Mütter" und "Väter", einschließlich Väter nichtehelich geborener Kinder und Adoptiveltern, "andere Erziehungsberechtigte" wie nichteheliche Lebenspartner oder Stiefeltern sowie "junge Menschen", also Personen im Alter von 0 bis unter 27 Jahren. Die ihnen anzubietenden Leistungen sollen dazu beitragen, dass sie "ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können". Die Angebote werden an keinerlei Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft. So ist offensichtlich, dass Familien generell in ihrer Funktion als Erziehungsinstanz gestärkt werden sollen - also unabhängig von der Familienform, der Schichtzugehörigkeit, dem Vorhandensein einer Problemlage oder eines erzieherischen Bedarfs. Hier wird deutlich, wie wichtig die Prävention im Kinder- und Jugendhilfegesetz genommen wird.

Aus § 16 Abs. 1 SGB VIII geht hervor, dass es sich bei den Maßnahmen der allgemeinen Förderung der Familienerziehung um Soll-Leistungen handelt. Dies wird im Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VIII wie folgt erläutert: "Das bedeutet, dass im Regelfall die Leistung zu erbringen ist und für den Fall der Ausnahme eine zwingende Begründung vorliegen muss, die sich aus der Natur der Sache ableitet. Finanzmangel z.B. ist kein atypischer Umstand (...). Beweispflichtig für den Ausnahmefall ist der öffentliche Träger (BVerwGE 56, 200 und 223; 64, 318 und 323)" (Münder et al. 1993, S. 151). Dennoch ist davon auszugehen, dass sich der geringere Verpflichtungsgrad von Soll-Vorschriften im Vergleich zu Muss-Bestimmungen vor allem in Zeiten knapper Mittel negativ auswirken wird.

In § 16 Abs. 2 SGB VIII werden dann mögliche Leistungen zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie aufgelistet. Unter Nr. 1 wird erstmals die Familienbildung bundeseinheitlich als Teil des Leistungskatalogs der Jugendhilfe rechtlich verankert. Sie soll "auf Bedürfnisse und Interessen sowie auf Erfahrungen von Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen eingehen", also der Pluralisierung der Familienformen entsprechen und teilnehmerorientiert sein. Ferner soll Familienbildung "die Familie zur Mitarbeit in Erziehungseinrichtungen" befähigen. Dies bedeutet, dass Eltern über ihre Rechte in Kindertagesstätten und Schulen sowie eine qualitativ gute Bildung, Erziehung und Betreuung informiert werden sollen. Sie benötigen Unterstützung beim Erwerb relevanter Kompetenzen. Ähnliches gilt für die Rechtsvorschrift, dass Familien durch Familienbildung zur Mitarbeit "in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe" befähigt werden sollen (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Neben der Information über solche Angebote sollen relevante Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die z.B. Rechtsgrundlagen, Gruppendynamik oder Kommunikationsverhalten umfassen können.

Schließlich sollen junge Menschen durch Angebote der Familienbildung "auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern" vorbereitet werden (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Das heißt: "Für die erfolgreiche Ausgestaltung späterer Partner-, Ehegatten- und Elternrollen notwendige Kenntnisse, Kompetenzen, Einstellungen, Werte, Leitbilder usw. sollen ... von jungen Menschen jeder Altersstufe mit Hilfe von Familienbildung erworben werden. Hierzu gehören z.B. soziale, kommunikative und Konfliktlösefertigkeiten, Haltungen gegenüber dem anderen Geschlecht, die Fähigkeit zu Intimität und ein entwicklungspsychologisches Grundwissen. Erste Grundlagen können schon im Kindergartenalter vermittelt werden" (Textor 1996a, S. 24).

Die in § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII genannten Angebote der Familienbildung werden in verschiedenen Praxisfeldern durch eine Vielzahl von Trägern erbracht. Dazu gehören:

Vergleicht man die hier genannten Praxisfelder der Familienbildung mit den zuvor skizzierten Vorgaben des § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII, so fällt auf, dass das Kinder- und Jugendhilfegesetz nur einen eher kleinen Teil dieses Bereichs abdeckt. Die Rechtsvorschrift klammert alle Angebote aus, die nicht Ehevorbereitung, Förderung der Familienerziehung und Befähigung zur Mitarbeit in Bildungseinrichtungen und Formen der Selbsthilfe beinhalten. Damit wird negiert, dass alle Subgruppen und Funktionen der Familie in einem systemischen Zusammenhang stehen. Beispielsweise ist seit langem bekannt, dass eine qualitativ gute Ehe eine zentrale Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung von Kindern ist. Die vom SGB VIII ausgeklammerten Maßnahmen der Ehebildung dürften also auch für das Kindeswohl relevant sein. Ein anderes Beispiel: Eltern, die bei den Familienfunktionen der Haushaltsführung oder Freizeitgestaltung versagen, dürften auch dadurch die Entwicklung ihrer Kinder beeinträchtigen. An dieser Stelle ist noch anzumerken, dass für die Familienbildung weiterhin die Erwachsenenbildungsgesetze der Bundesländer von großer Bedeutung sind. Diese decken nahezu alle Themenbereiche ab, betreffen aber in erster Linie nur Familienbildungsstätten und Erwachsenenbildungseinrichtungen.

Aus der zuvor erfolgten Unterscheidung verschiedener Trägergruppen lässt sich folgern, dass die Teilnehmer nicht nur aus anderen Motivationen heraus die jeweiligen Veranstaltungen besuchen, sondern dort auch unterschiedliche Erfahrungen machen. Dies soll am Beispiel der Elternbildung kurz skizziert werden: Angebote von Familienbildungsstätten und Erwachsenenbildungseinrichtungen nimmt wahr, wer sich auf eine neue Situation in der Familienerziehung vorbereiten will, bestimmte Erziehungsfragen klären möchte oder besondere erzieherisch relevante Situationen verändern will. Zu einer solchen Motivationslage muss noch ein Handlungsantrieb hinzukommen, bevor die jeweilige Person die mit dem Besuch einer Veranstaltung verbundenen Unannehmlichkeiten in Kauf nimmt (z.B. Wegezeiten, Verzicht auf alternative Freizeitaktivitäten, Notwendigkeit einer Kinderbetreuung, Kursgebühren). Bei Einzelveranstaltungen und Kursen trifft sie zumeist auf ihr unbekannte Menschen. Die Anonymität erleichtert es manchen Eltern, sich zu öffnen und ihre Probleme darzustellen, während andere zunächst eine Vertrauensbasis aufbauen müssen, die dann oftmals erst gegen Seminar-Ende gegeben ist. Auch der Kursleiter bzw. Referent ist zumeist unbekannt; auf den Ablauf seiner Veranstaltung kann nur wenig Einfluss genommen werden. Die Gruppendiskussionen, für die heute bei den meisten Kursen viel Zeit vorgesehen ist, können hingegen von den Teilnehmern stark geprägt werden. Allerdings können unterschiedliche Interessen, Bedürfnisse, Probleme und Lebenslagen eine Verständigung erschweren.

Eine andere Situation ist bei Elternbildungsangeboten von Kindertageseinrichtungen gegeben. Hier kennen die Eltern nicht nur die anderen Teilnehmer, sondern auch deren Kinder und manchmal sogar die Ehepartner. Außerdem befinden sich ihre Kinder - um deren Erziehung es schließlich geht - auf einer annähernd gleichen Entwicklungsstufe und zumindest in der Tagesstätte in derselben Lebenssituation. Es ist also von Anfang an eine Vertrauensbasis gegeben; die Bedürfnisse, Erziehungsfragen und -probleme der Teilnehmer sind einander relativ ähnlich. Auch wenn hier die Elternbildungsveranstaltungen zeitlich begrenzt sind, so bleibt doch der Kontakt zwischen den Teilnehmern bestehen, können sie die Gespräche informell fortführen bzw. die Themen zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgreifen. Zudem können sie sich nach Terminvereinbarung von der Erzieherin individuell beraten lassen.

Noch anders sieht es z.B. in selbst organisierten Eltern-Kind-Gruppen, Mütterzentren oder Selbsthilfegruppen aus. Hier haben sich Eltern zusammengeschlossen, haben sie das Sagen. Eine gute Vertrauensbasis ist aufgrund des langen Zusammenseins und der langfristig angelegten Beziehungen gegeben. Familienbildungsangebote werden von den Eltern selbst organisiert - und für sich selbst, entsprechen also direkt den eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Zugleich bestimmen die Eltern damit über deren Dauer, Inhalte und Methoden. Sie diskutieren mit Personen in derselben Lebenssituation über ihre subjektiven Erfahrungen, ihre Probleme und Belastungen, die Familien generell oder ihre besondere Familienform betreffen. Gemeinsam suchen sie nach Lösungen und Entlastungsmöglichkeiten, die sich positiv auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken und die Bewältigung des Familienalltags erleichtern. Im Idealfall kann es auch zu gegenseitiger praktischer Hilfe kommen. Von besonderer Bedeutung ist, dass Eltern selbst die Veranstaltungsplanung, -leitung und -durchführung übernehmen. Dies erlaubt das Einbringen, Erproben und Weiterentwickeln eigener Kompetenzen. Manche Eltern entwickeln sich sogar zu Experten in bestimmten Bereichen der Familienbildung weiter.

Schließlich soll noch auf Elterntrainingsprogramme, Pflegeelternschulen und spezielle Elternbildungskurse von Behindertenverbänden eingegangen werden. Bei diesen Veranstaltungen kommen Eltern mit ähnlichen Bedürfnissen und vergleichbaren Lebenssituationen zusammen. Sie werden von besonders ausgebildeten Fachkräften anhand eines zumeist von Wissenschaftlern entwickelten Leitfadens auf bestimmte Erziehungsaufgaben vorbereitet oder im Umgang mit besonderen Verhaltensauffälligkeiten bzw. Behinderungen geschult. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Seminarangeboten wird viel mehr Wert auf Selbsterfahrung, Erwerb von Kompetenzen, praktische Übungen wie Rollenspiel, Familienskulptur oder Kommunikationstraining und Hausaufgaben gelegt.

Überblickt man diese Vielzahl von Angebotsformen, Praxisfeldern und Trägern im Bereich der Familienbildung, kann man folgende Probleme festhalten:

Im letzten Abschnitt soll nun skizziert werden, wie Träger der Jugendhilfe bzw. von Familienbildungsmaßnahmen auf die beschriebene Situation und einige der genannten Probleme reagieren können.

Ein System der Familienbildung

Für Familienbildung im Sinne des § 16 SGB VIII, also für Ehevorbereitung, Verbesserung der Familienerziehung sowie Förderung der Mitarbeit in Bildungseinrichtungen und Formen der Selbsthilfe, sollten in Zukunft die Landkreise und kreisfreien Städte bzw. die Kreis- und Stadtjugendämter eine stärker organisierende und koordinierende Funktion übernehmen. Damit entsprächen sie auch den Vorgaben des Kinder- und Jugendhilfegesetzes: Nach § 79 Abs. 1 SGB VIII tragen sie neben den überörtlichen Trägern die Gesamtverantwortung für die Jugendhilfe. Somit müssen sie gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz "erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen" (§ 79 Abs. 2 SGB VIII), wozu auch die Leistungen nach § 16 SGB VIII gehören. Durch Jugendhilfeplanung müssen sie den Bedarf an solchen Einrichtungen und Diensten ermitteln und die zu dessen Befriedigung notwendigen Maßnahmen treffen (§ 80 Abs. 1 SGB VIII). Zu letzterem gehört auch die Bereitstellung benötigter Mittel (vgl. §§ 4 Abs. 3, 74 SGB VIII). In allen Phasen der Jugendhilfeplanung haben sie die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe frühzeitig zu beteiligen (§ 80 Abs. 3 SGB VIII). Diese können zudem über den Jugendhilfeausschuss Einfluss nehmen (§§ 70, 71 SGB VIII).

"Auf die Träger der öffentlichen Jugendhilfe kommt damit die Aufgabe zu, in Zusammenarbeit mit den freien Trägern und all den anderen Anbietern das System der Familienbildung weiterzuentwickeln und bedarfsgerecht auszugestalten. Dieses System sollte Angebote (1) für alle Phasen und Übergänge im Familienzyklus, (2) zur besseren Erfüllung aller Familienfunktionen, (3) für alle Familienformen einschließlich nichtehelicher Lebensgemeinschaften sowie (4) für Familien mit besonderen Belastungen umfassen und die Vorbereitung auf Partnerschaft, Ehe und das Zusammenleben mit Kindern angemessen berücksichtigen" (Textor 1996a, S. 102). Zugleich muss sichergestellt werden, dass bisher kaum erreichte Zielgruppen wie Väter, unterprivilegierte oder ausländische Familien, Aussiedler, Familien in bevölkerungsarmen Regionen u.a. ausreichend berücksichtigt werden, dass es genügend Angebote für seltenere Familienformen wie Alleinerziehende, Pflege- und Adoptivfamilien oder für Familien mit besonderen Belastungen (Arbeitslosigkeit, Behinderung, Krankheit, Drogensucht, Alkoholismus usw.) gibt. Auch sollen die Träger der Jugendhilfe genügend Mittel für Familienbildungsmaßnahmen zur Verfügung stellen (vgl. §§ 4 Abs. 3, 74 SGB VIII). Ferner sollte die Fortbildung der hier tätigen Fachkräfte, nebenamtlichen Mitarbeiter und Laien verstärkt gefördert werden (vgl. §§ 72 Abs. 3, 74 Abs. 6 SGB VIII).

Die Ausgestaltung eines solchen Systems sollte aber möglichst Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII überlassen werden. Hier können Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe - möglichst gemeinsam mit Vertretern von Familien- und Erwachsenenbildungsstätten, Kindertageseinrichtungen, Schulen, Familienselbsthilfe, Beratungsstellen usw. - Maßnahmen nach § 16 SGB VIII planen, weiterentwickeln und aufeinander abstimmen. Letztlich wäre es sinnvoll, wenn der Arbeitsauftrag so erweitert würde, dass alle Angebote der Familienbildung berücksichtigt werden können.

Durch solche Arbeitsgemeinschaften - aber auch durch die Mitarbeit in Jugendhilfeausschüssen sowie durch Zusammenschlüsse der Anbieter auf kommunaler, Landes- und Bundesebene - kann der Einfluss der Träger von Familienbildungsmaßnahmen auf die "Geldgeber" verstärkt werden. Dies ist in einer Zeit zunehmender finanzieller Engpässe in der Sozialpolitik und abnehmender Kinderzahlen besonders wichtig. Letztlich gilt immer der Spruch "gemeinsam ist man stärker". Zugleich kann dadurch verhindert werden, dass die verschiedenen Anbieter so sehr miteinander konkurrieren, dass dies zu ihrem eigenen Schaden und dem der Familien ist.

Ferner soll für eine Zusammenarbeit auch außerhalb von Arbeitsgemeinschaften plädiert werden. Sie ermöglicht die Planung von Familienbildungsveranstaltungen, für die ein einzelner Anbieter nie genügend Teilnehmer zusammen bekäme oder die für ihn alleine zu kostspielig wären. Durch solche "Kooperationsveranstaltungen" kann auch dem prognostizierten Rückgang der durchschnittlichen Teilnehmerzahlen und den damit verbundenen sinkenden Einnahmen entgegnet werden. Einige Beispiele:

"Ein bedarfsgerechtes System der Familienbildung, das institutionelle, informelle und mediale Angebote, Gemeinwesenarbeit und Programme der Ehevorbereitung, der Ehebereicherung und des Elterntrainings umfasst sowie auch schwer erreichbare Zielgruppen einbezieht, ist natürlich ein Idealbild, dem man sich nur (schrittweise) nähern kann. Schon alleine weil die finanziellen Ressourcen im Jugendhilfebereich so beschränkt sind, sollte man aber die Realität an einem solchen Idealbild überprüfen. Dann können die begrenzten Mittel zielgerichtet bzw. schwerpunktmäßig ausgegeben werden, lassen sich Überschneidungen bei Angeboten vermeiden, wird deutlich, wo ein Ausbau ohne großen materiellen Aufwand möglich wäre (z.B. Familienbildung via Kindertageseinrichtungen und Schulen)" (Textor 1996a, S. 102)

Quelle

Aus: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 1997, 77, S. 142-146

Literatur

Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland: Christlich gelebte Ehe und Familie. Bonn: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 1975

Hahlweg, K./Thurmaier, F./Engl, J./Eckert, V./Markman, H.: Prävention von Beziehungsstörungen. System Familie 1993, 6, S. 89-100

Medway, F.J.: Measuring the effectiveness of parent education. In: Fine, M.J. (Hg.): The second handbook on parent education: contemporary perspectives. San Diego: Academic Press 1989, S. 237-255

Münder, J./Greese, D./Jordan, E./Kreft, D./Lakies, T./Lauer, H./Proksch, R./Schäfer, K.: Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum Kinder- und Jugendhilfegesetz. Stand: 1.4.1993. Münster: Votum 1993

Textor, M.R.: Bevölkerungsrückgang und Generationenkonflikt. Caritas 1992, 93, S. 350-356

Textor, M.R.: Zusammenbruch des Sozialstaates? Generationenkrieg? Die Bevölkerungsentwicklung und ihre Konsequenzen. Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 1994, 74, S. 58-63

Textor, M.R. (Hg.): Elternarbeit mit neuen Akzenten. Reflexion und Praxis. Freiburg: Herder, 2. Aufl. 1995

Textor, M.R.: Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie. § 16 SGB VIII. Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden: Boorberg 1996a

Textor, M.R. (Hg.): Sozialpolitik: aktuelle Fragen und Probleme. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1996b

Thurmaier, F./Engl, J./Eckert, V./Hahlweg, K.: Prävention von Ehe- und Partnerschaftsstörungen EPL (Ehevorbereitung - Ein Partnerschaftliches Lernprogramm). Verhaltenstherapie 1992, 2, S. 116-124