Tagespflege: Ausgewählte Forschungsergebnisse

Martin R. Textor

 

In den USA befinden sich 33 % der Kinder unter fünf Jahren mit erwerbstätigen Müttern in Familientagespflege bzw. werden 20 % von einer nicht verwandten und 13 % von einer verwandten Tagespflegeperson betreut (Galinsky et al. 1994). Das sind bei weitem mehr Kinder als in Deutschland - wenn auch Vergleichszahlen fehlen, da nur ein Teil der Tagespflegestellen bei den Jugendämtern registriert ist -, obwohl z.B. jedes dritte Kind unter drei Jahren schon 1990 eine berufstätige Mutter hatte und einer Fremdbetreuung bedurfte (Merkel 1994). Das geringe Angebot an Tagespflegestellen ist zu bedauern, nicht nur, weil diese kostengünstiger als Krippenplätze sind, sondern auch, weil Tagespflege eine ganze Reihe von Stärken hat: Flexibilität der Betreuungszeit (Vereinbarkeit mit der Erwerbszeit), intensive Betreuung durch die Tagespflegeperson (nur wenig Kinder anwesend), Förderung der kindlichen Entwicklung, soziale Kontakte zu anderen Kindern und Erwachsenen, familiale Umgebung, viel Austausch mit den Eltern, geringes Infektionsrisiko u.a.

Allerdings hat Tagespflege auch Schwächen: Im Vergleich zu Krippen sind die Betreuungsverhältnisse weniger stabil, ist die Ausstattung mit Spielsachen und -materialien zumeist schlechter, werden die Tagespflegestellen nicht überprüft, haben die Tagespflegepersonen in der Regel keine pädagogische Ausbildung, erfahren sie nur wenig Fortbildung, Beratung und Unterstützung. Hier zeigt sich eine gewisse "Benachteiligung" der Tagespflege, obwohl sie laut dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) gleichberechtigt mit der institutionellen Fremdbetreuung ist (Merkel 1994). Hinzu kommt, dass viele Tagespflegepersonen in ihrer Tätigkeit nur eine Übergangslösung (z.B. für die Dauer ihrer Familienphase) sehen und nicht als Berufsausübung, so dass auch das Interesse an einer (Weiter-)Qualifizierung eher gering ist (Melchert 1992). Generell lassen sich hier drei Gruppen unterscheiden: (1) junge Mütter, die zur Aufbesserung des Familieneinkommens neben den eigenen (kleinen) Kindern Tagespflegekinder betreuen, (2) ältere Frauen, die mindestens ein mit ihnen verwandtes Kind, z.B. einen Enkel, betreuen, sowie (3) Frauen, die - oft schon lange - nicht verwandte Kinder betreuen und dazu tendieren, in ihrer Tätigkeit einen Beruf zu sehen (vgl. Atkinson 1991; Fosbury 1981). Nur die letztgenannte Gruppe legt in der Regel größeren Wert auf eine Qualifizierung und den Austausch mit anderen Tagespflegepersonen.

Trotz dieser "Benachteiligung" gegenüber der institutionellen Fremdbetreuung und obwohl Eltern in der Tagespflege wohl eher ein reines Betreuungs- als ein Bildungsangebot sehen (Phádraig 1994), werden zumindest nach ausländischen Untersuchungen keine größeren Unterschiede in der Qualität zwischen Familientagespflege und Kindertageseinrichtungen festgestellt (zusammenfassend siehe Textor in Druck). Während fast alle befragten Eltern mit der Tagespflege (sehr) zufrieden waren, benoteten die Wissenschaftler die untersuchten Tagespflegestellen eher mit der Durchschnittsnote "ausreichend". Die Qualität war besser, wenn u.a. die Tagespflegeperson eine einschlägige Ausbildung erfahren hatte, registriert war, ein professionelles Selbstverständnis besaß, die Räumlichkeiten kindgemäß eingerichtet hatte, hochwertige Spielsachen und -materialien einsetzte, viele entwicklungsfördernde Aktivitäten anbot und eine positive Beziehung zu den Kindern aufgebaut hatte.

Einstellungen von Tagespflegepersonen

Wie bereits angedeutet, liegen fast keine in Deutschland gewonnenen Forschungsergebnisse zur Familientagespflege vor. Deshalb muss im Folgenden überwiegend auf ausländische Untersuchungen zurückgegriffen werden - wobei natürlich eine Übertragung der Erkenntnisse auf deutsche Verhältnisse problematisch ist. Aber vielleicht ist ein Nebeneffekt dieses Artikels, dass sich die Jugendhilfeforschung der Tagespflege annimmt. Ein interessantes "Vorbild" wäre hier die Untersuchung von Clyde und Rodd (1992, 1994), die in Melbourne 42 australische Tagespflegepersonen und 11 Koordinatoren von Familientagespflege über ihre Einstellungen befragten. Nur 19 % der Interviewten verglichen die Tagespflege mit Babysitting. Die weitaus meisten sahen in ihrer Tätigkeit eine Profession (83 %), die sinnvoll ist (81 %) und die ganze Zeit ein hohes Maß an Kompetenzen abverlangt (72 %). Auch arbeiteten 38 % der Tagespflegepersonen schon mindestens sechs Jahre lang in diesem Bereich.

Als wichtige Eigenschaften und Fertigkeiten, über die Tagespflegepersonen verfügen sollten, wurden u.a. von den Befragten genannt: Kontrolle ausüben, ohne Angst zu erzeugen (100 %), jedes Kind und jeden Elternteil akzeptieren und respektieren, indem auf sie mit effektiven kommunikativen Fertigkeiten eingegangen wird (99 %), sich auf deren verbales und nonverbales Verhalten einstellen (98 %), sensibel für die Gefühle und Gedanken der anderen sein und ihren Ausdruck fördern (96 %), Begeisterung und Interesse bezüglich der eigenen Tätigkeit zeigen (92 %), den eigenen Sprachstil an die Kinder anpassen (90 %), Wärme, Verständnis und Akzeptanz zeigen (87 %) sowie die Stärken und Potentiale der Kinder und ihrer Familien nutzen (77 %). Bei der Frage, was eine qualitativ gute Tagespflege ausmacht, antworteten die Befragten nahezu einstimmig mit:

  1. eine stabile Umgebung schaffen, in der die Kinder eine positive Identität entwickeln und sich wohl fühlen können (100 %)
  2. Zuneigung zeigen, indem die Kinder zu geeigneten Zeitpunkten umarmt und berührt werden (100 %)
  3. jedes Kind beim Bringen und Abholen auf freundliche Weise begrüßen (100 %)
  4. die Kinder pflichtbewusst beaufsichtigen (100 %)
  5. möglichen Gefahren für das körperliche Wohl vorbeugen (100 %)
  6. gefährliche Rahmenbedingungen beheben und kaputte oder unbrauchbare Gegenstände entfernen (98 %)
  7. Verhalten in Notfällen (z.B. beim Ausbruch eines Feuers) üben (97 %)
  8. Routinen hinsichtlich Essen, Schlafen, Toilettenbenutzung usw. fördern (96 %)
  9. Eltern über die täglichen Aktivitäten informieren, so dass diese wissen, was ihre Kinder tun (96 %)
  10. Selbständigkeit und Selbsthilfe bei den Kindern fördern (96 %)
  11. ein System von Regeln und Grenzsetzungen schaffen, das von Kindern und Eltern verstanden und befolgt werden kann (94 %)
  12. eine Atmosphäre durch Vorbild und Haltung schaffen, in der es natürlich und akzeptabel ist, wenn Kinder sowohl positive als auch negative Gefühle äußern (94 %)
  13. das Wissen der Kinder von den Dingen in ihrer Welt vergrößern, indem Beobachtungen stimuliert und experimentierende oder Bautätigkeiten gefördert werden (94 %)
  14. eine Beziehung zu den Eltern etablieren, so dass ein Austausch über das Leben ihrer Kinder stattfindet (94 %)
  15. Schwierigkeiten einzelner Kinder antizipieren und beheben, so dass jedes Kind glücklich und erfolgreich ist (92 %)
  16. die richtige Verwendung von Materialien und Gegenständen erklären, so dass die Kinder wissen, was von ihnen erwartet wird (92 %).

Hier fällt auf, dass die Befragten die auch von Wissenschaftlern vertretenen Kriterien einer qualitativ hochwertigen Tagespflege kannten und mit ihnen einverstanden waren.

Eine andere australische Untersuchung, bei der die Einstellungen von 10 Tagespflegepersonen und von Erzieherinnen aus vier Kindertageseinrichtungen hinsichtlich ihrer Erziehungsziele, ihrer Erwartungen bezüglich der kindlichen Entwicklung und ihrer Erziehungspraktiken verglichen wurden, zeigte eine große Übereinstimmung zwischen beiden Gruppen (Erwin et al. 1993). Nur fünf Ziele wurden von den Erzieherinnen signifikant häufiger als wichtig bezeichnet: die Förderung von Spracherwerb und Sprachfertigkeiten (100 versus 61 %), die Gesunderhaltung der Kinder (92 versus 59 %), das Lehren von Selbstkontrolle (92 versus 56 %), die Unterstützung der Eltern bei persönlichen und Familienproblemen (69 versus 33 %) sowie die Untersuchung der Kinder zwecks Erfassung besonderer Bedürfnisse (85 versus 38 %).

Beziehung zu den Eltern

Bei einer amerikanischen Untersuchung über 36 Tagespflegepersonen und 36 Mütter mit einem Kind in Tagespflege wurde eine große Übereinstimmung zwischen beiden Seiten hinsichtlich der die Betreuung betreffenden Fragen und ihrer jeweiligen Rolle ermittelt (Nelson/Garduque 1991). Sowohl den Tagespflegepersonen als auch den Müttern war bewusst, dass die Kinder in der Pflegestelle und in der Familie unterschiedliche Erfahrungen machen und sich anders verhalten - beispielsweise traten auffällige Verhaltensweisen häufiger zu Hause auf. Diese Unterschiede wurden nicht als negativ für die kindliche Entwicklung betrachtet, sondern als komplementär. Mütter sahen in den anderen Erfahrungen ihrer Kinder in der Tagespflegestelle eine Bereicherung, während die Tagespflegepersonen die andere Situation der Kinder in ihren Familien eher negativ auffassten (Zeitmangel der Mütter, begrenzte Ressourcen, wechselhafter Erziehungsstil usw.) und ihre Tätigkeit als familienergänzend verstanden.

Bei einer Befragung von 820 Müttern und 226 Tagespflegepersonen in Kalifornien, Texas und North Carolina wurde eine große Übereinstimmung der Vorstellungen beider Seiten hinsichtlich einer qualitativ guten Kinderbetreuung festgestellt (Galinsky et al. 1994). Für besonders wichtig wurde gehalten, dass das Kind sicher aufbewahrt ist, dass ein intensiver Austausch zwischen Eltern und Tagespflegeperson über das Kind stattfindet und dass sich eine enge und herzliche Beziehung zwischen Kind und Tagespflegeperson ausbildet.

Vielleicht trägt diese Übereinstimmung in Erziehungszielen und Einstellungen neben der kleinen Kinderzahl dazu bei, dass der Gesprächsaustausch zwischen Eltern und Betreuungsperson bei der Tagespflege viel intensiver als bei der institutionellen Fremdbetreuung ist (Divine-Hawkins 1981; Kontos 1992). Schließlich soll noch auf das Forschungsergebnis hingewiesen werden, dass Eltern, die ihr Kind auf entwicklungsfördernde Weise erziehen, Tagespflegestellen von großer Qualität und Stabilität auswählen - wobei bei dieser Auswahl aber auch der sozioökonomische Status der Familie eine Rolle spielt (Belsky 1990; Galinsky et al. 1994; Howes/Stewart 1987).

Beziehung zu den Kindern

In vielen Fällen gewöhnen sich Kinder und Tagespflegepersonen sehr schnell aneinander, entsteht rasch eine Beziehung. So stellte Gudat (1982) bei seiner Untersuchung über 61 Kinder im Rahmen des Modellprojekts "Tagesmütter" fest: "Eine Befragung der Tagesmütter ergab, dass sich 43 % der Säuglinge (unter 1 Jahr), jedoch nur 29 % der Einjährigen gleich am ersten Tag bei der Tagesmutter wohlzufühlen schienen. Bei den Kindern, die im dritten Jahr zum ersten Mal bei einer Tagesmutter waren, fühlten sich wiederum 45 % sofort wohl" (S. 199). Nur 10 % der Säuglinge, aber 19 % der Einjährigen hatten große Eingewöhnungsschwierigkeiten (Schlaf- und Essstörungen, häufiges Weinen, Apathie, Angst).

Bei der "National Day Care Home Study" über 793 amerikanische Tagespflegepersonen und 2812 Kinder wurde ermittelt, dass drei Viertel der Eltern von liebevollen und fast alle übrigen von freundschaftlichen Gefühlen ihrer Kinder für die Tagespflegepersonen berichteten (Divine-Hawkins 1981). Weniger als 5 % der Befragten bezeichneten die Haltung ihres Kindes als indifferent; niemand sprach von einer negativen Gefühlstönung. Bei einer neueren, bereits erwähnten amerikanischen Untersuchung mit einer ebenfalls recht großen Stichprobe wurden sichere Bindungen zwischen Tagespflegeperson und Kind nur in der Hälfte der Fälle gefunden - ein Ergebnis, dass die Wissenschaftler aber auch in ihren Studien über die Beziehung zwischen Fachkräften und Kindern in Tageseinrichtungen ermittelten (Galinsky et al. 1984). Sichere Bindungen waren häufiger, wenn die Tagespflegepersonen sensibel und warmherzig waren sowie eine gute oder zumindest ausreichende Betreuung boten.

Besonders häufig wurde untersucht, wie sich eine Fremdbetreuung in den ersten Lebensjahren auf die Mutter-Kind-Beziehung auswirkt. Beispielsweise verglichen Belsky und Rovine (1988) die Entwicklung von 38 Kleinstkindern mit 35 und mehr Stunden, 20 Kleinstkindern mit 20 bis 35 Stunden, 24 Kleinstkindern mit 10 bis 20 Stunden und 67 Kleinstkindern mit fünf oder weniger Stunden Fremdbetreuung (in neun Fällen in einer Tageseinrichtung). Unsichere Mutter-Kind-Bindungen wurden in 47 % der Fälle mit Vollzeit- und 35 % der Fälle mit Teilzeitbetreuung ermittelt, aber nur in 21 % der Fälle mit 10 bis 20 Stunden und in 25 % der Fälle mit fünf und weniger Stunden Fremdbetreuung. Belsky und Rovine differenzierten: "Kleinstkinder mit 20 und mehr Stunden Fremdbetreuung, die als unsicher gebunden klassifiziert wurden, waren häufiger Jungen, wurden von ihren Müttern als überaktiv/schwierig beschrieben und hatten Mütter, die hinsichtlich ihrer interpersonalen Sensibilität Grenzen aufwiesen, weniger Zufriedenheit mit positiven Aspekten ihrer Ehen ausdrückten und aus stark karriereorientierten Gründen erwerbstätig waren ..." (S. 165). Auch die letztgenannten Faktoren könnten zu den unsicheren Mutter-Kind-Bindungen beigetragen haben.

Clarke-Stewart (1989) fasste mehrere Untersuchungen über insgesamt 1247 Kinder zusammen und stellte fest, dass 36 % der Kleinkinder mit Vollzeitbetreuung - entweder in Tagespflege oder in einer Kindertageseinrichtung - im Vergleich zu 29 % der Kinder, deren Mütter nicht oder nur halbtags arbeiteten, eine unsichere Bindung zu ihrer Mutter aufwiesen (ähnlich bei Belsky/Rovine 1988, S. 164). Sie kritisierte, dass aber immer dieselbe Untersuchungsmethode verwendet wurde: In der "Strange Situation" spielt das Kleinstkind mit den Spielsachen eines anderen Kindes in einem unbekannten Raum in Anwesenheit der Mutter und einer fremden Frau. Die Mutter verlässt das Zimmer; die fremde Frau spielt mit dem Kind und tröstet es. Dann kehrt die Mutter zurück. Aus den Reaktionen des Kindes wird dann auf die Qualität seiner Bindung geschlossen. Für Clarke-Stewart ist nicht nur das Vorherrschen dieser Untersuchungsmethode problematisch, sondern auch die Tatsache, dass es sich hier vermutlich für fremdbetreute Kinder nicht um eine "Strange Situation" handelt - vielmehr um eine "normale". Ansonsten wird problematisiert, dass die Unterschiede in der Bindungsqualität zwischen fremdbetreuten und nicht fremdbetreuten Kleinstkindern keineswegs so häufig oder so groß seien, dass man Tagespflege bzw. Krippenerziehung als gefährlich für das Kindeswohl bezeichnen könne (Clarke-Stewart 1989). Zudem könnten auch andere Faktoren - z.B. in der Familie - für die unsicheren Bindungen verantwortlich sein (s.o.). Ferner dürfe die Mutter-Kind-Bindung nicht isoliert von anderen Beziehungen des Kindes betrachtet werden: Beispielsweise kann eine sichere Tagespflegeperson/Erzieherin-Kind-Bindung eine unsichere Mutter-Kind-Bindung zum Teil kompensieren (Howes et al. 1988). Schließlich wurden mit anderen Untersuchungsmethoden als der "Strange Situation" auch positive Einflüsse der Fremdbetreuung auf die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern ermittelt (Clarke-Stewart 1989; Gudat 1982; Textor in Druck).

Erziehung durch Tagespflegepersonen

Zumindest nach ausländischen Forschungsergebnissen schaffen Tagespflegepersonen genügend Platz für die betreuten Kinder in ihren Wohnungen. Obwohl diese Räumlichkeiten nur selten kindgemäß eingerichtet sind, befinden sich in ihnen viele Spielsachen und -materialien, oft auch didaktische Spiele (Clarke-Stewart 1987; Rosenthal 1991). Hinsichtlich des Erziehungsverhaltens der Tagespflegepersonen dürfte folgende Aussage der Arbeitsgruppe Tagesmütter (1980) auch heute noch gelten: "Die Pädagogik der Tagespflege ist, wie in der Familie, 'Alltagspädagogik' und erfolgt nicht normiert. Tagesmütter reagieren individuell unterschiedlich auf die Wünsche von Kindern - manche eher mit einer kindorientierten Gestaltung des Alltags (besonders, sofern sie mehrere kleine Kinder zu betreuen haben), andere eher durch ein 'Nebenherlaufenlassen', das nicht mit Nichtbeachtung gleichzusetzen ist" (S. 205). Im Mittelpunkt des Tages stehen Aktivitäten wie Spielen, Schlafen und Essen, Malen, Basteln und Spazierengehen, Einkaufen und Kochen (Nelson 1990).

Nelson (1990) unterscheidet noch eine weitere Gruppe von Tagespflegepersonen, die Erziehungsziele und -programme auf der Grundlage ihrer Erziehungstheorie entwickelt haben. Sie versuchen, die soziale, kognitive und emotionale Entwicklung der Kinder durch bewusst ausgewählte Aktivitäten zu fördern. Dementsprechend differenzieren sie zwischen Familienerziehung und ihrer Tätigkeit. Sie sehen sich eher als Lehrer oder Erzieher, halten eine gewisse Distanz zu den Kindern, wollen bestimmte Leistungen erbringen und darin Befriedigung finden, treten Eltern gegenüber als Professionelle auf und machen bewusst Elternarbeit. Oft haben sie einen besonderen Raum für die Kinderbetreuung eingerichtet, der von ihrer Familie nicht benutzt wird. Viele treffen sich mit anderen Tagespflegepersonen zum Erfahrungsaustausch oder haben sich Verbänden angeschlossen.

Die bereits erwähnte "National Day Care Home Study" ergab, dass Tagespflegepersonen beinahe zwei Drittel der Betreuungszeit für kindbezogene Aktivitäten nutzten (Divine-Hawkins 1981). Sie verbrachten von der Gesamtzeit

  • 46 % mit direkten Interaktionen mit den Kindern, insbesondere mit Belehren (14 %), Spielen (8 %), Helfen (9 %), Anleiten (4 %) und Kontrollieren (4 %),
  • 19 % mit Hausarbeit,
  • 17 % mit Beaufsichtigen und Vorbereiten,
  • 8 % mit Erholung sowie
  • 6 % mit Interaktionen mit Erwachsenen.

Interaktionen mit Kindern waren seltener, wenn viele Kinder betreut wurden (dann gab es aber mehr Interaktionen unter den Kindern), wenn ein Vorschulkind neben kleineren Kindern oder wenn ein leibliches Kind mitbetreut wurde. Eine neuere israelische Untersuchung ergab, dass die Tagespflegepersonen sich nur während 27 % der Beobachtungszeit nicht mit den Kindern beschäftigten und sich ansonsten eher unterstützend und ermutigend (33 % der Zeit) als restriktiv (11 % der Zeit) verhielten (Rosenthal 1991). Bildende Aktivitäten wurden häufiger initiiert, wenn ältere Kinder oder Kinder aus Familien mit einem höheren sozioökonomischen Status betreut wurden.

Schlussbemerkung

Die Tagespflege erweist sich als eine besondere Form der Kinderbetreuung, die zwischen der Familienerziehung und der institutionellen Fremdbetreuung anzusiedeln ist, sich aber von beiden unterscheidet. Als ein "spezielles ökologisches System" (Kontos 1992) sollte sie eigentlich das Interesse von Wissenschaftlern auf sich ziehen. Dieses ist aber zumindest in Deutschland nicht der Fall. Der vorliegende Artikel und ein ergänzender Beitrag über die Qualität der Tagespflege (Textor im Druck) zeigen, dass im Ausland bereits viele interessante Forschungsergebnisse - wenn auch zumeist an kleinen, nicht repräsentativen Stichproben - gesammelt wurden, die dringend durch deutsche Untersuchungen überprüft und ergänzt werden sollten. Diese könnten dann als Grundlage für die qualitative Weiterentwicklung und den quantitativen Ausbau der Tagespflege dienen.

Quelle

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Literatur

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